Timo Boll trägt deutsche Fahne
4. August 2016
Es war die erste öffentliche Wahl eines deutschen Fahnenträgers und die Fans und die Sportler entschieden sich für den Tischtennis-Routinier Timo Boll. "Das macht mich stolz, dass mich sowohl die Leute als auch die Sportler sehen wollten. Das macht mich ein bisschen stolzer, als wenn es nur eine Handvoll Leute entschieden hätten." Rund 300.000 Menschen haben sich an der Abstimmung beteiligt, gab der deutsche Mannschaftschef Michael Vesper im Deutschen Haus in Rio de Janeiro bekannt. "Als ich gestern Abend gehört habe, dass ich die Fahne tragen soll, war ich sprachlos", sagte Boll. "Ein wahnsinniges Gefühl, vielleicht sogar der Höhepunkt meiner Karriere. Ich fühle mich sehr geehrt." Vesper ergänzte: "Sein erster Satz war: Die anderen vier hätten es auch verdient gehabt. Das zeichnet Timo aus."
Der 35-jährige Boll gewann die Abstimmung unter Fans und Olympia-Mannschaft gegen Hockey-Kapitän Moritz Fürste, Bahnrad-Ass Kristina Vogel, die Moderne Fünfkämpferin Lena Schöneborn und Vielseitigkeitsreiterin Ingrid Klimke. Alle vier sind - anders als Boll - Olympiasieger.
Vor allem in Asien berühmt
Timo Boll ist einer der wenigen internationalen Sportstars aus Deutschland. Der Tischtennis-Routinier genießt vor allem in Asien eine enorme Popularität, ganz besonders in der Tischtennis-Nation China. Er erlebt in Rio seine fünften Olympischen Spiele, nicht immer waren diese für ihn Erfolgsgeschichten. Zwar holte er 2008 in Peking Silber und 2012 in London Bronze mit der Mannschaft, doch die ersehnte Einzel-Medaille blieb dem Rekordeuropameister bislang stets verwehrt. Auch diesmal schwand die Hoffnung schon nach der Auslosung, bereits im Viertelfinale droht ein Duell mit dem schier übermächtigen Topfavoriten Ma Long.
Bolls sportliche Vita liest sich dennoch mehr als nur beeindruckend: Dritter im WM-Einzel 2011, vier silberne und eine bronzene WM-Medaille mit dem Team, insgesamt 16 Triumphe bei Europameisterschaften und dazu 18 deutsche Meistertitel im Einzel und mit seinem Klub Borussia Düsseldorf. Kaum ein anderer Tischtennisspieler kann eine ähnliche Sammlung aufweisen - weltweit. Für Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf, selbst jahrelang Deutschlands "Mr. Tischtennis", ist Boll mehr als nur ein würdiger Nachfolger als Aushängeschild der Sportart: "Timo ist eine Ikone im Tischtennis und ein herausragender Sportler", sagte Roßkopf: "Ich merke, wenn er sich im Dorf bewegt, dass er noch immer fast der bekannteste deutsche Sportler überhaupt ist. Für uns ist er Gold wert." Auch ohne olympische Einzel-Medaille.
Keller und Nowitki zuletzt Fahnenträger
Natürlich habe er auch sportliche Ambitionen, Boll wolle um Medaillen kämpfen. "Ich bin gut drauf, im Einzel wird es schwer, in der Mannschaft haben wir gute Chancen." Als Sportler habe man bei olympischen Spielen eine enorme Anspannung, wie man sie sonst bei keinen anderen Wettbewerben habe.
Vor vier Jahren in London hatte Hockey-Olympiasiegerin Natascha Keller das deutsche Team ins Olympiastadion geführt. 2008 in Peking war Basketball-Superstar Dirk Nowitzki deutscher Fahnenträger. "Dirk Nowitzki hat mich gewarnt, dass die Fahne sehr schwer sein wird", berichtete Boll. "Doch selbst als Tischtennisspieler sollte ich das schaffen. Ich werde versuchen, mir den Moment einzuprägen."
og/ck (sid, dpa)