"Für mich bist Du ein Mysterium"
10. Mai 2002Der von der Stiftung Preußische Seehandlung alljährlich beim Berliner Theatertreffen verliehene Preis ist mit 16 000 Euro dotiert.
"Skandal-Autorin"
Die 1946 in Mürzzuschlag in der Steiermark
geborene Schriftstellerin gilt vor allem in ihrer Heimat immer noch als "Skandal-Autorin". 1996 verhängte Jelinek als Reaktion auf dauernde Anfeindungen ein Aufführungsverbot für ihre Stücke in Österreich, das sie inzwischen jedoch zurückgezogen hat. Sie schrieb unter anderem die Theaterstücke "Stecken, Stab und Stangl" und "Ein Sportstück". Zu ihren Prosatexten gehören die Romane
"Die Klavierspielerin", "Lust" und "Gier". In ihren Werken setzt sie sich vor allem mit den Themen Macht, Gewalt und Sexualität sowie mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus auseinander.
"Für mich bist Du ein Mysterium", bekannte der
Theatermacher George Tabori bei der Preisverleihung. "Du bist eigensinnig, eigenartig und gut." Jedes ihrer Stücke öffne einem eine andere Welt, sagte Tabori, der der erste Preisträger der seit 1988 verliehenen Auszeichnung war.
In Gedenken an Einar Schleef
Jelinek selbst erinnerte in ihrer Dankesrede an den im vergangenen Sommer verstorbenen Regisseur Einar Schleef, der viele von ihrer Stücke auf die Bühne brachte. "Es ist schwer über Schleef zu sprechen", sagte die Autorin. Sie fühle sich sehr traurig und ein wenig unbehaglich, weil eigentlich Schleef an ihrer Stelle stehen sollte, wie sie sagte. Schleef arbeitete kurz vor seinem Tod an den Proben zur Uraufführung von Jelineks "Macht Nichts. Eine kleine
Trilogie des Todes".
Die Preisjury würdigte Jelinek als "zornige Wortkünstlerin und
melancholische Theatermacherin". Ihre Stücke seien immer Kunstwerk und politischer Standpunkt zugleich. "Alle Anfeindungen, Beschimpfungen und Verleumdungen haben sie nicht in die Verzagtheit oder in den Elfenbeinturm vertrieben", urteilte die Jury. Jelineks Sprachkunst mache ihre Texte zu einer wirksamen, politisch explosiven Dramatik. "Gerade ihr höllischer Humor entzündet sich an den politischen Gemeinheiten der Gegenwart."
Als notwendige Provokateurin bezeichnete Gregor Gysi, Berliner Wirtschafssenator und stellvertretender Regierender Bürgermeister, die Dramatikerin. Jelinek sei eine Frau, die den Mut habe, auch Feindseligkeit und Hass auf sich zu ziehen, nur weil sie die Wahrheit ausspreche. "Wenn Kunst und Kultur im Mainstream bleiben, dann liegen sie daneben", sagte Gysi.