(kann leer bleiben)
16. Februar 2011Anderthalb Jahre nach der verlorenen Bundestagswahl bietet die SPD kein einheitliches Bild. Auf Bundesebene ist es ihr noch nicht gelungen, sich den Wählern wieder als klare und attraktive Alternative anzubieten. In den Umfragen der Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap dümpelt sie bei 25 Prozent, hat also gegenüber der Bundestagswahl im Jahr 2005 (34,2 Prozent) weiter an Zustimmung verloren. Zwei Parteitage haben keinen Aufschluss darüber gebracht, in welche Richtung die Sozialdemokraten eigentlich gehen wollen. Wollen sie sich von der Schröder-Ära mit ihren umstrittenen Sozialreformen verabschieden oder halten sie an der ungeliebten Agenda 2010 fest? Versuchen sie, Wähler im linken Lager zurückzugewinnen oder verstehen sie sich als Kraft der Mitte? Sind sie bereit, Bündnisse auch mit der Linken einzugehen oder beschränken sie ihre Koalitionsmöglichkeiten auf die bürgerlichen Parteien, auf Grüne, Union und Liberale?
Auf Suche nach dem richtigen Kurs
Für diese inhaltliche Unentschiedenheit steht auch die Doppelspitze Gabriel/Steinmeier. Während der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel versucht, sich vorsichtig von der Gerhard-Schröder-SPD zu entkoppeln, wacht der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier darüber, dass die Beschlüsse, die er selbst mit zu verantworten hat, nicht über Bord geworfen werden.
Dabei gilt Gabriel - der temperamentvollere der beiden Spitzenpolitiker und der bessere Redner - als unberechenbar und populistisch. Der ruhige und bedächtige Steinmeier dagegen liegt in der Beliebtheitsskala deutscher Politiker weit vorn. Derzeit belegt er nach Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg den zweiten Platz, gleichauf mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Um die Meinungsunterschiede zu überbrücken und den Blick nach vorn zu richten, haben Steinmeier und Gabriel zusammen mit Generalsekretärin Andrea Nahles zu Beginn des Jahres 2011 den Entwurf eines Fortschrittsprogramms vorgelegt. Es soll den Fortschrittsbegriff neu definieren und die Partei auf einen der Zukunft zugewandten Kurs einschwören.
Kritiker bemängeln jedoch, dass auch das neue Papier keine eindeutige Standortbestimmung zulasse. Die gesellschaftlichen Probleme würden zwar zutreffend beschrieben, das Eingeständnis der eigenen Verantwortung dafür bleibe aber aus, und die Lösungsansätze blieben vage. Ob das Papier, das im Verlauf des Jahres in der Partei zur Diskussion gestellt werden soll, für die anstehenden Landtagswahlen Bedeutung hat, bleibt dahingestellt. Der Ausgang der Wahlen in den einzelnen Bundesländern dürfte in erster Linie von den Problemen und Konstellationen in den Ländern und der Popularität der Spitzenkandidaten abhängen.
Auftakt in Hamburg
Glücklich ist man in der SPD-Führung, dass die erste Wahl des Jahres in Hamburg stattfindet. Denn in der Hansestadt liegt die SPD in allen Umfragen klar vorn. Ihr Spitzenkandidat Olaf Scholz liegt in der Einschätzung der Bürger unangefochten vor dem Amtsinhaber, dem Ersten Bürgermeister Christoph Ahlhaus, CDU. Fraglich ist nur, ob es zu einer Alleinregierung reichen wird oder ob Scholz eine Koalition mit den Grünen eingehen wird.
Auch in Sachsen-Anhalt hat der SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn gute Umfragewerte, die Zustimmung zu seiner Partei bleibt dahinter jedoch zurück. Wahrscheinlich wird es dort am 20. März zu einer Fortsetzung der schwarz-roten Koalition kommen. Möglich wäre aber auch ein Regierungsbündnis mit der Linken.
Wenn dann eine Woche später in Baden-Württemberg gewählt wird, könnte die SPD erstmals in die Rolle des Juniorpartners in einer Koalition mit den Grünen geraten. In der Auseinandersetzung um den Neubau des Bahnhofs in Stuttgart hat sich die SPD nicht eindeutig positioniert. Ihr Spitzenkandidat Nils Schmidt wollte die Unterstützung seiner Partei für das Projekt nicht zurückziehen, plädierte jedoch gleichzeitig für einen Bürgerentscheid. Der Schlingerkurs wurde in den Umfragen nicht honoriert. Während die SPD es bei der vorletzten Wahl im Jahr 2001 im Ländle noch auf 33,4 Prozent brachte (bei der letzten Wahl 2006: 25,2 Prozent), liegt sie jetzt in Umfragen bei knapp über 20 Prozent, die Grünen liegen mit 24 Prozent als zweitstärkste Partei hinter der Union, die ihren Vorsprung nach einer Talfahrt im letzten Herbst wieder ausbauen konnte.
In Rheinland-Pfalz hat SPD-Ministerpräsident Kurt Beck gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Er führt in den Meinungsumfragen mit weitem Abstand vor seiner CDU-Herausforderin Julia Klöckner. Seine Partei profitiert jedoch nicht von seiner Popularität. Sie liegt in den Erhebungen der Wahlforscher mit der CDU gleich auf.
Gute Aussichten in Bremen und Berlin
Im Mai ist das kleinste Bundesland Bremen dran, eine traditionelle Hochburg der Sozialdemokraten. Seit der Gründung der Bundesrepublik wird der Stadtstaat ununterbrochen von der SPD regiert, seit 2007 in einer Koalition mit den Grünen. Bürgermeister Jens Böhrnsen, der im letzten Jahr nach dem plötzlichen Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler als Bundesratspräsident einen Monat lang die Funktion des Staatsoberhauptes innehatte und dadurch in ganz Deutschland bekannt wurde, genießt hohe Popularität und dürfte sich im Amt behaupten.
Ähnlich sieht es derzeit in Berlin aus, wo erst später im Jahr gewählt wird. In der Hauptstadt kann der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auf gute Umfragewerte verweisen. Doch an der Spree wird erst im September gewählt, genau wie in Mecklenburg-Vorpommern, wo Ministerpräsident Erwin Sellering, der das Amt während der Legislaturperiode von seinem Vorgänger Harald Ringstorff übernommen hat, um seine Wiederwahl kämpfen muss. Er steht derzeit an der Spitze einer großen Koalition, doch welche Konstellation sich nach der Wahl anbietet, ist derzeit noch völlig unklar.
Das Wahljahr 2011 birgt für die SPD also viele Unwägbarkeiten und Gefahren, aber sicher auch Chancen. Ein eindeutiger Trend, zum Beispiel eine Renaissance des rot-grünen Projekts ist nicht zu erkennen. Aber auch der schon prognostizierte Untergang der ältesten Volkspartei Deutschlands ist keine ausgemachte Sache.
Autorin: Bettina Marx
Redakteur: Kay-Alexander Scholz