Große Fußballfilme II: "Maradona by Kusturica"
2. Juni 2010Der Film ist keine klassische Dokumentation, kein linear erzähltes Heldenepos. Der serbische Filmregisseur Kusturica reist an die wichtigsten Orte in Maradonas Leben. Er besucht Larús, ein heruntergekommenes Stadtviertel südlich von Buenos Aires, wo Maradona 1960 geboren wurde, aufwuchs und bereits als Zehnjähriger nur zwei Träume hatte: "Mein erster Traum ist es, bei der Weltmeisterschaft mitzuspielen, und mein zweiter ist es, sie zu gewinnen."
Ebenso ist der Filmemacher dabei, wenn Maradona in Mar del Plata neben den "antiimperialistischen Führen Lateinamerikas" (Hugo Chavez und Evo Morales) gegen George W. Bush und die US-Regierung demonstriert: "Für mich als Argentinier ist es eine Ehre, bei diesem Demonstrationszug dabei sein zu dürfen und diesen menschlichen Abfall, der sich Bush nennt, loszuwerden…"
Als Erlöser gefeiert
Noch heute gilt Maradona vielen Fußballfans als der beste Fußballspieler aller Zeiten. Ein Wunderkind, das alle möglichen Pokale und Landesmeisterschaften in Argentinien, Spanien und Italien gewann sowie 1986 mit der argentinischen Nationalelf Weltmeister und 1990 Vizeweltmeister wurde. Doch Siege interessieren Regisseur Emir Kusturica nur am Rande: Maradona, das ist für ihn vor allem ein Revolutionär.
Ein Kind der Slums, das in Europa den FC Barcelona eroberte, aber nach einer Schlägerei im Pokalendspiel gegen Athletic Bilbao (1984) ausgemustert wurde. Dann zum SSC Neapel wechselte und dort zum Erlöser für den armen Süden Italiens wurde, der damals erstmals den reichen Rivalen aus dem Norden (Juventus Turin, AC Mailand, Inter Mailand) Paroli bieten konnte.
Nicht ohne Selbstreflexion
Maradonas Karriere war begleitet von Drogen und Skandalen, Prügeleien und Frauengeschichten, Doping und Mafiakontakten. Und Kusturica zeigt alles. Der Film ist allerdings etwas chaotisch aufgebaut. Genau wie Maradonas Karriere, in deren Verlauf der Star den Versuchungen des Lebens erlag, ohne allerdings seine Herkunft zu vergessen.
Mindestens einhundert Tore von Maradona zeigt der Film, eines schöner als das andere. Wobei er die denkwürdigsten 1986 - nach dem verlorenen Falklandkrieg - im WM-Viertelfinale gegen England erzielte. Das erste mit der Hand, (Maradona: "Ich hatte meinen Kopf im Spiel und Gott seine Hand") und das zweite nach einem Sololauf um sieben englische Spieler. Diese beiden Tore zeigt Kusturica immer wieder.
Zwischen Genie und Wahnsinn
Die Fußballbilder werden effektvoll mit der Musik der Sex Pistols (God save the Queen) unterlegt. Auch die Gründer der sogenannten Maradona-Kirche kommen zu Wort. Und schließlich singt Maradona, der heute nicht nur Trainer der argentinischen Nationalmannschaft ist, sondern auch Fernsehmoderator und Entertainer, über sein Leben. Ein melancholisches Lied, nicht ohne Selbstreflexion. Es handelt davon, wie sehr er seinen Drogenrausch bereut; dadurch habe er das Aufwachsen seiner Töchter kaum wahrgenommen - so Maradona später.
Kusturica zeigt Maradona zwischen Genie und Wahnsinn, Erfolg und Absturz. Ein Fußballer der noch heute gefeiert wird wie ein Messias und schon mehrfach dem Tode nur um Haaresbreite entkam. Der Film selbst ist kein Geniestreich, aber doch ein spannendes und zugleich skurriles Porträt eines großen Fußballspielers.
11 Freunde Edition, Volume 2: 6 Fussballklassiker, darunter "Maradona" von Emir Kusturica, insgesamt rund 545 Minuten, 32-seitiges Booklet, Anbieter: Kinowelt.
Autor: Bernd Sobolla
Redaktion: Jochen Kürten