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Expertenrat: Deutschland braucht mehr Klimaschutz

18. April 2023

Der Expertenrat für Klimafragen stellt der deutschen Regierung ein schlechtes Zeugnis aus. Der CO2-Ausstoß sinkt zu wenig, vor allem beim Heizen und im Verkehr. Hier müssen Sofortprogramme umgesetzt werden.

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Deutschland, Berlin viel Autoverkehr auf der Friedrichstraße
Verkehr und Gebäudeheizung stoßen zu viel CO2 in Deutschland aus. Sofortprogramme müssen nun aufgegriffen werden. Bild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

746 Millionen Tonnen CO2 pustete Deutschland im vergangenen Jahr in die Atmosphäre, im Jahr 2030 sollen es laut Klimaschutzgesetz noch maximal 438 Millionen Tonnen sein und 2045 in der Summe Null.

Ist die Politik der neuen Bundesregierung hier bereits auf einem guten Weg? Nein, sagt der von der Bundesregierung eingesetzte wissenschaftliche Expertenrat in seinem am Montag vorgestellten Prüfbericht.

Wenn die Emissionsminderungen im selben Tempo wie bisher weitergehen, würde das gesetzlich festgelegte Ziel bis 2030 verfehlt, die Emissionen lägen dann im Jahr 2030 um 190 Millionen Tonnen CO2 höher als geplant, warnt Prof. Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. 

Industrie, Stromerzeugung und Landwirtschaft unterschreiten gesetztes CO2-Limit

2019 hatte die alte Bundesregierung die Obergrenzen für den jährlichen CO2-Ausstoß durch Industrie, Stromerzeugung, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäudeheizung gesetzlich festgelegt und auf Grundlage eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Mai 2021 verschärft.

Der Expertenrat stellt nun fest, dass bei der Stromerzeugung trotz mehr Einsatz von Kohle statt Erdgas die Obergrenze für CO2-Emissionen in 2022 knapp eingehalten werden konnte.

In der Industrie lag der CO2-Ausstoß um acht Prozent niedriger als gesetzlich vorgegeben. Der Grund für die stark gesunkenen Emissionen im Vergleich zu den Vorjahren lag vor allem am Ukrainekrieg: Die dadurch gestiegenen Energiepreise drosselten die Produktion und den CO2-Ausstoß. Auch die Landwirtschaft blieb mit ihren Emissionen durch weniger Tiermast und Düngereinsatz mit fast neun Prozent unterhalb der gesetzlich festgelegten CO2-Obergrenze.

Braunkohlekraftwerk bei Köln. Im Vordergrund das große Schaufelrad des Braunkohlebaggers an der Tagebaukante beim inzwischen zerstörten Ort Lützerath.
Mehr Kohle statt Gas erhöhte im Stromsektor den CO2-Ausstoß in 2022. Mit Kohleausstieg bis 2030 und sehr starkem Ausbau der Erneuerbaren soll Strom bis 2035 klimaneutral in Deutschland werden Bild: picture alliance / Jochen Tack

Heizung und Verkehr überschreiten gesetzliches CO2-Limit

Große Probleme für die Einhaltung der gesetzlichen Klimaziele verursachen laut Expertenrat die hohen CO2-Emissionen durch das Beheizen von Gebäuden mit Gas und Öl. Trotz eines vergleichsweisen milden Winters im Jahr 2022 und Einsparungen der Verbraucher durch die Gaskrise, lagen die Emissionen rund fünf Prozent über dem gesetzlichen Limit, bei einem Winter mit Normaltemperaturen wären laut Bericht die Emissionen sogar um 12 Prozent zu hoch.

Ausdrücklich positiv bewerten die Experten das geplante Gesetz zum Einbau von Wärmepumpen, das in den nächsten Monaten verabschiedet werden soll und den Einbau von neuen Gas- und Ölheizung  ab 2024 in Deutschland in der Regel verhindern soll. 

Das zweite große Problem für den Klimaschutz bleibt laut Expertenrat der Verkehr. Trotz hoher Spritpreise im vergangenen Jahr durch den Ukrainekrieg wurden die gesetzten Klimaziele im Verkehrssektor wiederholt verfehlt und statt maximal 139 Millionen Tonnen CO2, 148 Millionen Tonnen CO2 vor allem durch PKW und LKW in die Atmosphäre geblasen.

Da der Verkehr und Gebäude die Klimazielvorgaben verfehlten, müssen die zuständigen Ministerien nach derzeitiger Gesetzeslage innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen. Ob sich die verantwortlichen Minister daran halten werden, ist jedoch in der Regierung umstritten. Vor allem das FDP-geführte Verkehrsministerium wehrt sich gegen mehr Klimaschutz im Verkehr wie zum Beispiel ein Tempolimit auf Autobahnen.

Brigitte Knopf und Hans-Martin Henning auf der Pressekonferenz in Berlin am 17.4.2023. Sie stellen den Prüfberichts zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2022 vor.
Hält sich die Bundesregierung an die gesetzlich verankerten Klimaziele? Die Vorsitzenden des Expertenrats Brigitte Knopf und Hans-Martin Henning warnen vor VerwässerungenBild: Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance

Hält sich Deutschland ans Klimaschutzgesetz?

Sehr strittig ist unter den Koalitionsparteien wie der CO2-Ausstoß in den verschiedenen Sektoren und insgesamt gesenkt werden kann, damit Deutschland seinen Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens erfüllt.

"Entscheidend ist, dass die derzeit im Klimaschutzgesetz festgelegte Emissionsmenge kumuliert über das Jahrzehnt nicht überschritten werden darf. Dieser Budgetansatz ist ein zentraler Grundgedanke des Gesetzes", betont Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats.

Mit Blick auf eine geplante Änderung des bestehenden Klimaschutzgesetzes warnt Knopf vor Verwässerungen, die die Einhaltung des Pariser Klimaziels gefährden könnten. "Eine mögliche Aufweichung der ausdrücklichen Ressortverantwortung erhöhen das Risiko für zukünftige Zielverfehlungen."

Umweltverbände teilen die Einschätzungen des Expertenrats. "Deutschland ist beim Klimaschutz weiter im Hintertreffen", sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Wir teilen zudem die Kritik und Sorge des Expertenrates an der möglichen Aufweichung des Klimaschutzgesetzes. Wir rufen die Abgeordneten des Bundestages auf, von der Aufweichung der Ressortverantwortung die Hände zu lassen und die Sektorenziele nicht aufzugeben. Ansonsten sehen wir schwarz für die Klimaziele 2030."

Rueter Gero Kommentarbild App
Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion