Exil-Iraner bewerten das US-Iranische Atomabkommen
25. November 2013Bis spät in die Nacht hing Kamran G. im Internet. Schließlich konnte er die historische Nachricht an Freunde und Verwandte in seiner Heimat posten. "Der Deal steht!" freute sich der iranisch-stämmige US-Bürger. "Ich war außer mir. Diese Verhandlungen hatten so lange gebraucht. Und je länger sie sich hinzogen, desto mehr litt die gewöhnliche iranische Bevölkerung unter den Sanktionen." Ihr galt Kamrans Freude in erster Linie. "Auch wenn es nur ein vorläufiger Schritt ist, den die Delegationen in Genf verhandelt haben." Das Echo aus dem Iran war euphorisch. "Einige reagierten aber auch mit vorsichtigem Optimismus."
Kamran teilt die Zuversicht. Zwölf Jahre lebt der Journalist aus Teheran nun schon in den USA. Er brachte seine Frau und Kinder her, weil er an ein besseres Leben glaubte. An Menschenrechte, demokratische Werte und vor allem: eine Zukunft. "Ich hoffe, dass sich für die Menschen Zuhause nun auch die wirtschaftliche Situation entspannt", meint Kamran. "Sie arbeiten so hart, um ihr tägliches Brot zu verdienen." Der Würgegriff der Wirtschaftssanktionen lege sich über alle Teile der iranischen Gesellschaft. Sie stoße an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit. Das Geld sei immer weniger wert. Die Preise schnellten immer weiter in die Höhe. "Ich glaube, dass es das ist, weshalb die Hardliner unserer Regierung den Verhandlungen überhaupt zugestimmt haben." Doch eben diese Hardliner sollten auch den psychologischen Effekt nicht unterschätzen, meint Kamran. Er ist zuversichtlich: "Mit der Öffnung für die Wirtschaft wird es auch mehr Atemluft für die persönlichen Freiheiten geben."
Der Druck auf die Menschen bleibt
Nicht jeder Exil-Iraner sieht das so. Roxanne F. etwa, die vor knapp 20 Jahren in die USA geflüchtet ist. Die politische Aktivistin war in Teheran erst gegen den Schah auf die Straße gegangen. Als sie und ihre Freunde das Gesicht der neuen Machthaber erkannten, protestierten sie gegen die Mullahs. "In vier Generationen meiner Familie sind jeweils Menschen wegen ihrer politischen Ausrichtung weggesperrt und exekutiert worden", erzählt Roxanne. Als sie auch noch ihren Bruder holten, war die junge Studentin gerade auf dem Nachhauseweg. Ein Verwandter warnte sie. Roxanne floh. Doch auch in ihrem Leben als Immobilienmaklerin in den USA hat sie die Menschenrechte in ihrer Heimat im Blick. "Sie exekutieren dort Menschen auch nach den Genfer Verhandlungen wie vorher", meint sie. "Der Druck auf die Bevölkerung hat nicht nachgelassen." Bei dem Deal, den der Westen mit dem Iran angepeilt habe, gehe es lediglich um den Atomstreit - nicht aber um die Menschen im Iran. Das stört sie. "Meine Sorge ist, dass die iranische Regierung sagt: Wir geben Euch, was Ihr wollt. Aber ihr haltet Euch aus dem raus, was wir hier im Land machen. Das könnte bedeuten, dass alles noch schlimmer für die Menschen dort wird." Das Gute sei, meint Roxanne, dass die USA nun vermutlich keinen Krieg gegen den Iran beginnen. Das sei eine große seelische Erleichterung.
Irgendwann wird die Demokratie in den Fokus rücken
Vor allem auf sozialen Frieden setzt dagegen Ali Afshari. Der iranische Bürgerrechtler gehörte schon lange zu denen, die in Teheran für Demokratie und Menschenrechte aufstanden. Mehrere Jahre landete der ehemalige Studentenführer dafür im Gefängnis. Heute lebt der politische Aktivist und Wissenschaftler in den USA. Jeden Schritt des Genfer Verhandlungspokers hat er verfolgt. Noch bevor die Farsi-Nachrichten den Durchbruch meldeten, hatte Afshari die Neuigkeit bereits über soziale Medien nach Hause gebracht. "Ich habe nichts anderes erwartet. Beide Seiten haben diesmal wirklich eine vorläufige Lösung gesucht." Afshari ist darüber glücklich - auch wenn nicht sicher sei, dass der Deal von Dauer ist. "Persönlich glaube ich, dass er meiner Familie und allen Iranern Zuhause dazu verhelfen wird, dass sie mit weniger Problemen leben", meint er.
Doch auch politisch weckt das Verhandlungsergebnis Hoffnungen. "Ich glaube, dass sich der Fokus irgendwann von der Atomfrage zur Demokratiefrage bewegen wird." Dazu ist es aus Sicht des Aktivisten wichtig, die Sanktionsschraube so rasch wie möglich zu lockern. Die Strafmaßnahmen hätten zu allererst die durchschnittliche Bevölkerung getroffen. Und damit der Demokratiebewegung geschadet. "Die Wirtschaft ging den Bach hinunter und zog die Aufmerksamkeit der Menschen von der Politik mit", so Afshari. "Aus diesem Grund sind die Sanktionen schädlich für die Demokratie."