Stammzellen-Patent verboten
18. Oktober 2011Mit ihrem Urteil widersprachen die Luxemburger Richter an diesem Dienstag (18.10.2011) dem Anspruch des Bonner Neurobiologen Oliver Brüstle auf ein Patent, in dem er sich Nerven-Vorläuferzellen aus Stammzellen und Verfahren zu ihrer Gewinnung hatte schützen lassen.
Bei der Entscheidung des höchsten europäischen Gerichts ging es um nicht weniger als darum, zu definieren, wann menschliches Leben beginnt. Im europäischen Ausland, in Frankreich etwa, ist die Forschung an Embryonen in den ersten zwei Wochen nach Befruchtung der Eizelle erlaubt, also bis zum Zeitpunkt des Einnistens in die Gebärmutter.
Wann beginnt das Leben?
Der EuGH hat nun aber geurteilt, dass der Begriff "Embryo" weiter ausgelegt werden müsse. Jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an sei als "menschlicher Embryo" anzusehen, da die Befruchtung den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang setze. Patente zu industriellen oder kommerziellen Zwecken seien nur möglich, wenn sie dem Embryo selbst nutzten, etwa um seine Überlebenschancen zu verbessern oder eine Missbildung zu beheben.
Stammzellen zum Kampf gegen schwere Krankheiten
Hintergrund der Klage war ein Patentstreit zwischen der Umweltorganisation Greenpeace und dem Bonner Neurobiologen Oliver Brüstle. Brüstle ist Inhaber eines 1997 angemeldeten Patents für nervliche Vorläuferzellen, die sich aus Stammzellen gewinnen lassen. Sie können beispielsweise aus Embryonen gewonnen werden, die bei künstlichen Befruchtungen übrig bleiben. Die in Befruchtungskliniken - etwa in den USA - lagernden Embryonen werden aufgetaut und wachsen im Labor einige Tage lang heran. Daraus werden die embryonalen Stammzellen entnommen. Der Embryo wird dabei zerstört.
Die von Brüstle gewonnenen Vorläuferzellen werden zur Behandlung neurologischer Krankheiten wie Parkinson oder Multiple Sklerose erprobt. Auf Klage von Greenpeace hatte das Bundespatentamt Brüstles Patent wegen ethischer Bedenken aufgehoben.
Stammzellen gelten als "Alleskönner", sie sind noch nicht auf eine bestimmte Funktion festgelegt. Sie können sich zu jeglicher Art menschlicher Zellen entwickeln, also zum Beispiel zu Haut-, Haar-, Blut - oder Herzmuskelzellen. Forscher wie Brüstle wollen diese Stammzellen so programmieren, dass bestimmte Krankheiten therapiert werde können.
Das Luxemburger Urteil dürfte weitreichende Folgen auf die embryonale Stammzellenforschung haben, denn in Großbritannien ist man schon wesentlich weiter - allein dort und in Schweden gibt es bereits über 100 Patente in diesem Forschungsbereich.
Autor: Tobias Oelmaier (mit dpa/afp/rtr)
Redaktion: Arnd Riekmann