EuGH stärkt Niederlassungsfreiheit
27. Juni 2013Wer kennt das nicht - eine falsche Bewegung und der Schmerz fährt einem in den Rücken. Ein Hexenschuss? Oder gar ein Bandscheibenvorfall? Der Arzt kann das in der Regel schnell abklären. Um das Problem zu beheben, schickt er den Patienten dann zur Physiotherapie. Oder zu einem Masseur.
In Deutschland gibt es sowohl das Berufsbild des "Physiotherapeuten" als auch das des "medizinischen Bademeisters und Masseurs". Beides sind Heilberufe, bei Ausbildung und Tätigkeit gibt es Schnittmengen, aber auch große Unterschiede.
Mit diesen Gemeinsamkeiten und Unterschieden musste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) befassen. Im konkreten Fall ging es um einen Griechen, der in Deutschland eine zweieinhalbjährige Ausbildung zum "Masseur und medizinischen Bademeister" abgeschlossen hatte. Anschließend wollte er in Griechenland in diesem Beruf arbeiten - doch das verweigerten ihm die dortigen Behörden.
Ein Masseur ist kein Physiotherapeut
In Griechenland existiert ein solches Berufsbild nämlich gar nicht. Am nächsten kommt ihm dort der Beruf des Physiotherapeuten - dieser erfordert aber eine längere und sogar akademische Ausbildung.
Nach dem am Donnerstag (27.06.2013) in Luxemburg gefällten Urteil muss Griechenland dem Masseur nun jedoch zumindest teilweise Zugang zum Tätigkeitsfeld der dortigen Physiotherapeuten geben - in den Teilgebieten, die durch seine Ausbildung abgedeckt sind. Ein komplettes Arbeitsverbot in seinem gelernten Beruf sei dagegen unzulässig.
Um falsche Erwartungen der Kunden zu vermeiden und deren Gesundheitsschutz Rechnung zu tragen, reiche es aus, wenn sich der Kläger nicht Physiotherapeut nenne, sondern die deutsche Bezeichnung "Masseur und medizinischer Bademeister" verwende, so das Urteil.
Verbraucherschutz steht im Vordergrund
Dass die Hürden für die Anerkennung von Berufsabschlüssen im Ausland bestehen, habe durchaus seinen Sinn, erklärt Elisabeth Sonnenschein. Sie arbeitet bei der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen bei der deutschen Kultusministerkonferenz und begründet die Regelung insbesondere mit dem Schutz der Verbraucher: "Wer als Patient eine Physiotherapie verschriebenen bekommen hat, darf zu Recht erwarten, dass er von entsprechend qualifiziertem Personal fachgerecht behandelt wird."
Schwierig sei die Anerkennung immer dann, wenn Berufsbilder und Abschlüsse in zwei Ländern sehr unterschiedlich seien: "Die EU-Richtlinie zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ist für Fälle gemacht, in denen sich die beruflichen Berechtigungen im Wesentlichen entsprechen." Das sei hier jedoch nicht der Fall.
Die Richtlinie regelt seit 2005 die berufliche Anerkennung im Bereich der sogenannten reglementierten Berufe. Dazu gehören alle Tätigkeiten, für deren Ausübung der Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation vorgeschrieben ist. In Deutschland sind das zum Beispiel Berufe im medizinischen Bereich, Rechtsberufe oder Lehrer an staatlichen Schulen.
Nicht alle Berufe sind reglementiert
Für einige dieser Berufe - Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Krankenpfleger, Hebammen, Architekten - gibt es beim Umzug in einen andern EU-Mitgliedsstaat eine automatische Anerkennung, denn für diese Berufe gelten in der gesamten Europäischen Union einheitliche Ausbildungsstandards. Bei allen anderen reglementierten Berufen muss die Gleichwertigkeit der Qualifikation individuell geprüft werden - so auch im Fall des griechischen Masseurs.
Das klingt nach sehr viel Bürokratie. Doch Franz Roggemann, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen, wiegelt ab: "Ein spanischer Koch beispielsweise kann ja in Deutschland arbeiten, ohne dass er irgendeinen Abschluss anerkennen lassen muss." Da die allermeisten Berufe nicht reglementiert seien, halte sich der bürokratische Aufwand in Grenzen.
Bis der griechische Masseur und Bademeister mit deutscher Ausbildung seine Tätigkeit in Griechenland aufnehmen kann, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Der EuGH hat in seinem Urteil griechischen Gerichten und Behörden aufgetragen, abschließend zu prüfen, welche Therapiemaßnahmen er genau in Griechenland ausüben darf.