VW-Gesetz gekippt
23. Oktober 2007Das so genannte Volkswagen-Gesetz verstößt laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) gegen EU-Recht. Mit diesem Urteil hat das Gericht in Luxemburg am Dienstag (23.10.2007) einer Klage der EU-Kommission gegen Deutschland Recht gegeben. Der EuGH folgte dabei der Argumentation der Behörde, wonach das Gesetz in mehreren Punkten die Freiheit des Kapitalverkehrs verletzt. Dem Vorwurf der Verletzung der Niederlassungsfreiheit folgte das Gericht nicht. „Das Gericht hat bestätigt, dass staatliche Stellen keine Sonderrechte bei privatisierten Unternehmen haben sollen“, erklärte der Sprecher von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy in Brüssel.
Schnelle Umsetzung
Angesichts des Urteils muss Deutschland das Gesetz ändern. Die Bundesregierung kündigte die unverzügliche Umsetzung an. Justizministeriumssprecher Ulrich Staudigl sagte, die Bestimmungen des Gesetzes würden nicht mehr angewendet, nachdem die Bundesregierung die EU-Kommission und den EuGH mit ihren Argumenten nicht habe überzeugen können. Das Gesetzgebungsverfahren zur förmlichen Aufhebung werde unverzüglich eingeleitet. Wie lange es letztlich dauere, bis dieser Prozess beendet sei, konnte der Sprecher nicht sagen. Das liege unter anderem in der Hoheit des Parlaments.
Damit ist der Weg für Großaktionär Porsche frei, die Mehrheit bei VW zu erwerben und den Autobauer als Tochter in seine Europa-Holding einzugliedern (AZ: C-112/05). Der Sportwagenbauer Porsche begrüßte das Urteil. "Mit einem Stimmrechtsanteil von knapp über 30 Prozent an Volkswagen sind wir natürlich sehr daran interessiert, unsere Stimmrechte auch voll ausüben zu können", erklärte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in Stuttgart.
Porsche sichert sich Kredit
Zur Aufstockung seines Anteils hatte sich Porsche einen milliardenschweren Kredit gesichert. "Wir haben eine Kreditlinie über zehn Milliarden Euro", sagte ein Porsche-Sprecher am Dienstag in Stuttgart. Über das weitere Vorgehen wollte sich Porsche als größter Aktionär nicht äußern. Das sei Sache des Aufsichtsrats, sagte der Sprecher. Ein Beschluss über die Aufstockung liege derzeit nicht vor.
Das Land Niedersachsen „akzeptiert“ laut Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die Entscheidung. Da auf VW-Hauptversammlungen normalerweise nur etwa 60 Prozent des Kapitals vertreten sei, verfüge Niedersachsen auch künftig über eine Sperrminorität, unterstrich er.
Obwohl der EuGH das Recht Niedersachsens auf zwei Posten im VW-Aufsichtsrat kippte, sprach sich Porsche dafür aus, Niedersachsen die Sitze weiter zu geben. Derzeit vertreten Wulff und Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) das Bundesland im VW-Aufsichtsrat.
Geringe Investition, großer Einfluss
Der EuGH bemängelte in dem VW-Gesetz die Kopplung mehrerer Vorschriften. So begrenzt das Gesetz das Stimmrecht jedes Aktionärs ungeachtet dessen tatsächlicher Beteiligung auf 20 Prozent. Für wichtige Entscheidungen ist zudem eine ungewöhnlich große Mehrheit von über 80 Prozent der Stimmrechte notwendig. Normalerweise liegt diese Schwelle bei 75 Prozent.
Jede dieser Bestimmungen könnten für sich betrachtet zugunsten und zulasten eines Aktionärs gehen, urteilte der EuGH. Bei der Verabschiedung des Gesetzes 1960 seien aber der Bund und das Bundesland Niedersachsen jeweils zu 20 Prozent an VW beteiligt gewesen. Niedersachsens halte weiter VW-Anteile in dieser Größenordnung. Zusammengenommen hätten Bund und Land dank der Gesetzesvorschriften mit einer vergleichsweise geringen Investition wesentlichen Einfluss auf VW, begründete der EuGH seine Entscheidung. Dies könne Anleger aus anderen EU-Staaten von einer Direktinvestion abhalten.
Privilegiert ist der Staat laut Gericht zudem durch die Vorschrift, wonach Bund und Land je zwei Mitglieder des Aufsichtsrats stellen dürfen, solange sie VW-Aktien halten. Damit gehe deren Einfluss über ihre Investitionen hinaus, folgerte das Gericht. Deutschland habe in dem Verfahren auch keine legitimen Interessen daran dargelegt, warum VW mit dem Gesetz vor einem dominierenden Großaktionär geschützt werden müsse. (tos/stu)