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Europäische Selbstzweifel

10. März 2012

Syrien, Iran, die Länder des arabischen Frühlings: Hier ist Europa als Konfliktlöser und Vermittler gefragt. In Kopenhagen haben die EU-Außenminister um eine Strategie gerungen.

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epa03139311 High Representative of the European Union for Foreign Affairs and Security Policy Catherine Ashton (RIGHT) and Danish Foreign Minister Villy Sovndal during a press conference after their Informal EU Foreign Affairs Ministers meeting on March 10, 2012 in Copenhagen. EPA/Torkil Adsersen DENMARK OUT
Catherine Ashton und Villy Sövndal in KopenhagenBild: picture-alliance/dpa

Die Erwartungen an die Europäische Union sind hoch: Eine Vereinigung von 27 Staaten, zusammen ein potenziell enormes wirtschaftliches und diplomatisches Gewicht, soll sich in Syrien, dem Iran oder den Staaten des arabischen Frühlings einbringen. Die EU will ihr Gewicht auch nutzen, um Konflikte zu lösen. Doch sie bleibt unter ihren Möglichkeiten. Das ist zumindest der Eindruck, den viele der Außenminister beim Gymnich-Treffen in Kopenhagen geäußert haben. Die EU-Außenrepräsentantin Catherine Ashton rät zu einer Bündelung der Kräfte. Die Mitgliedsstaaten sollen zum Beispiel den von ihr geleiteten Europäischen Auswärtigen Dienst, EAD, stärker nutzen. Sie will ihn zu einer “Konfliktlösungsmaschine“ machen, wie sie in Kopenhagen sagte. Doch Außenpolitik ist für viele EU-Staaten noch immer vor allem nationale Politik.

Keine schnellen Lösungen

Bei der abschließenden Pressekonferenz am Samstag (10.03.2012) wurden Ashton und der dänische Gastgeber, Außenminister Villy Sövndal, immer wieder an die akuten Krisen erinnert. Journalisten stellten kritische Fragen, wie sich die Minister über so relativ belanglose Dinge unterhalten könnten, während gleichzeitig syrische Truppen Zivilisten töteten. Was die EU jetzt tun wolle? Wie sie zu einer Militärintervention stehe? Sövndal mahnte zu Geduld. “Ich glaube nicht, dass es einen schnelleren Weg gibt.“ Alternativen zur mühevollen diplomatischen Arbeit sieht er nicht, auch auf die Gefahr hin, dass zum Beispiel Syriens Präsident Baschar al-Assad den geplanten Besuch des UN-Sondergesandten Kofi Annan nur nutze, um Zeit zu gewinnen.

UN-Sondergesandter Annan und Präsident Assad sitzen sich gegenüber REUTERS/SANA/Handout (SYRIA - Tags: POLITICS CIVIL UNREST) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Mühsamer Weg: UN-Sondergesandter Annan bei Präsident Assad in DamaskusBild: Reuters

Eine militärische Lösung kommt nach Aussage zahlreicher Minister für die EU nicht infrage, auch nicht eine militärische Sicherung von Versorgungskorridoren für die Bevölkerung. Der schwedische Außenminister Carl Bildt warnte vor einem “uneingeschränkten Bürgerkrieg“. Andererseits scheinen die EU-Regierungen noch weitere Sanktionen vorzubereiten. “Wir werden die Sanktionen verschärfen“, so Sövndal. Er sieht Hoffnung in den Überläufen syrischer Regierungsvertreter und Militärs wie jüngst des stellvertretenden Ölministers Abdo Hussameddin. Ashton betonte mehrfach, die EU wolle “Wandel ohne Chaos“. Es scheint das Leitmotiv der vorsichtigen Europäer zu sein.

Militärintervention ausgeschlossen

Sehr kritisch sehen die Außenminister auch die israelische Drohung, den Iran notfalls anzugreifen, um ihn an der Entwicklung der Atombombe zu hindern. Doch statt Israel offen zu kritisieren, gehen sie lieber den indirekten Weg, indem sie US-Präsident Barack Obamas relative Zurückhaltung loben.

Michael Link, Staatsminister im Berliner Auswärtigen Amt, bemängelte in Kopenhagen aber auch die Öffentlichkeitsarbeit der EU. Sie habe “offensichtlich Kommunikationsdefizite“ dabei, der iranischen Bevölkerung den Sinn der Sanktionen zu erklären. So lange es die iranische Führung schaffe, “es so darzustellen, man sei nur das Opfer einer Sanktionspolitik, müssen wir ganz selbstkritisch sagen, dann müssen wir hier besser werden“. Es gehe nicht um eine Bestrafung der Bevölkerung, sondern um “Sanktionen gegen einen Rüstungswettlauf“.

Westerwelles Zukunftsmusik

Außenminister Guido Westerwelle hatte am Freitag in Kopenhagen den Bogen noch viel weiter gespannt. Er warnt vor der Gefahr, dass die EU durch innere Zersplitterung weltpolitisch irrelevant wird. Anzeichen dafür sieht er unter anderem darin, “dass man Grenzkontrollen wieder einführt (wie es die dänische Vorgängerregierung zeitweilig getan hatte), die Währung infrage stellt, sich mit Klischees gegenübertritt.“ Davor könne er nur warnen. “Am Schluss wären wir Deutschen die größten Verlierer einer solchen Entwicklung“, weil auch das starke Deutschland auf sich gestellt im Weltmaßstab nicht ausreichend ins Gewicht falle.

Nahaufnahme Westerwelle mit Europaflagge im Hintergrund (Foto:Michael Sohn/AP/dapd)
Außenminister Westerwelle: Europa braucht eine VisionBild: dapd

Westerwelle hat eine Reihe von anderen EU-Außenministern nach Berlin eingeladen, um über Zukunftsfragen zu diskutieren. “Die Finanzkrise kann nicht alles sein, was wir diskutieren, sondern wir müssen nächste Entwicklungsschritte und Vertiefungsschritte in Europa anpacken.“ Er sprach sich für einen vom Volk direkt gewählten europäischen Präsidenten und eine europäische Verfassung aus. Den Einwand, diese Vorstellungen seien im Moment nirgendwo durchsetzbar, wischte Westerwelle beiseite: “Europa kann ohne Vision kaum funktionieren. Manche halten das für Zukunftsmusik. Aber ich glaube, dass Zukunftsmusik dazugehört, wenn man die Zukunft gestalten möchte.“ Während mehrere Ministerkollegen den Vorschlag wohlwollend aufnahmen, zeigten sich andere zugeknöpft. Der Schwede Carl Bildt sagte kühl, Westerwelle habe mit ihm nicht darüber gesprochen. “Ich ziehe es vor, über politische Sachfragen zu reden“. Europäische Gemeinsamkeit entwickele sich, indem man in solchen Sachfragen zusammenarbeite, meinte Bildt.

Autor: Christoph Hasselbach, z. Zt. Kopenhagen
Redaktion: Andrea Lueg