Europäer suchen gemeinsame Linie zur Stabilisierung der Wirtschaft
22. Februar 2009Man stelle sich folgende Situation vor: in einer großen Halle, gefüllt mit vielen Menschen, bricht ein Brand aus. Es gibt zwar Notausgänge, aber nicht viele. Wenn alle zügig, aber diszipliniert und rücksichtsvoll hinausgehen, können die meisten gerettet werden. Wenn einer anfängt zu drängeln und das Chaos ausbricht, dann wird die Mehrheit keine Chance haben. Vergleichbares spielt sich in der derzeitigen Wirtschaftskrise ab. Die Regierungschefs wissen, dass sie gemeinsam und abgestimmt den Notausgang suchen müssen und Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte bereits, "dass wir ein gemeinsames Wettbewerbsfeld brauchen unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so dass wir keinen verzerrten Wettbewerb angesichts vieler staatlicher Hilfsmaßnahmen haben werden."
Darauf wollte Merkel erneut am Sonntag (22.02.2009) bei einem Treffen in Berlin dringen. Teilnehmer sind die Staats- und Regierungschefs sowie die Finanzminister der vier europäischen G-8-Mitglieder - Deutschland, Großbritannien, Frankreich, und Italien. Eingeladen sind auch die Regierungschefs von Spanien und den Niederlanden sowie die tschechische EU-Ratspräsidentschaft und Luxemburg. Letzteres hat den Vorsitz in der Euro-Gruppe. Erwartet werden zudem EU-Ratspräsident José Manuel Barroso und die Chefs der Europäischen Zentralbank und der Bank of England.
Bedrohung des Welthandels?
Ein Gespenst geht um und das heißt Protektionismus. Es ist einfach zu verlockend, die heimischen Märkte abzuschotten und den Kauf eigener Produkte zu fördern. Aber durch die globalen Märkte sind die Staaten wirtschaftlich voneinander abhängig und Protektionismus würde am Ende den Welthandel zusammenbrechen lassen. Doch wenn schon Frankreich seine Autokonzerne aufruft, Werke in Osteuropa zu schließen und die Briten ihre Banken zuvorderst auf den eigenen Markt verpflichten wollen, wie soll dann weltweit eine gemeinsame Linie gefunden werden?
Das weiß auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, der auf feste Kriterien für die Vergabe von Staatshilfen pocht und dies wohl auch am Sonntag tun wird. "Es wird eine Weile dauern, bis wir diese Krise überwinden, aber wir werden sie überwinden", kündigte er vorab optimistisch an und fügte hinzu: "Aber nur, wenn wir auf europäischer Ebene zusammen arbeiten und nicht gegeneinander. Und das Treffen der europäischen Regierungschefs der G-20 am Sonntag in Berlin ist ein wichtiger Schritt, um eine klare und gemeinsame europäische Position für das G20-Gipfeltreffen am 2. April in London zu entwickeln."
Steinbrück: Regulierung für alle Marktteilnehmer
Grundsätzlich soll es beim Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer Anfang April vor allem um das Thema Finanzen gehen, denn die Konferenz ist die Fortsetzung des Finanzgipfels von Washington im November 2008. Dort hatten die G-20-Staaten sich verpflichtet, alles zu tun, damit die Finanzkrise sich nicht wiederholen kann. Mit einem 47-Punkte-Plan hatte man sich auf die Suche nach einer neuen Ordnung auf den Finanzmärkten begeben, die, so sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, einer Linie folgen soll: "Es gilt als Obersatz nach wie vor die Verabredung von Washington, die da lautet: Kein Finanzmarktteilnehmer, kein Finanzmarkt und kein Finanzmarktprodukt sollen zukünftig in der Welt nicht mehr einer Regulierung unterworfen sein."
Die Finanzminister, die im Kanzleramt zusammenkommen, interessiert aber auch vor allem ein Thema: Wie kann der Staat sich nach der Krise schnell und koordiniert aus den Konjunktur- und Rettungsprogrammen verabschieden und wieder auf den Pfad der Haushaltskonsolidierung zurück finden? Bis dahin, so heißt es von deutscher Seite, sei zwar noch etwas Zeit, aber angesichts der horrenden Schuldenberge sei es wichtig, jetzt schon darüber nachzudenken.