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Europas kulturelle Ausnahme

Wenzel Bilger22. Oktober 2004

Eigentlich sollte sie längst abgeschafft sein: die Buchpreisbindung in Europa. Doch sie hält sich hartnäckig. Was den einen ein Dorn im Auge ist, garantiert den anderen Qualität auf dem Buchmarkt.

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Titelvielfalt und Qualitätssicherung mit oder ohne PreisbindungBild: dpa zb

"Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch", heißt es in dem im Oktober 2002 in Kraft getretenen Buchpreisbindungsgesetz. Davor hatten in Deutschland so genannte Sammelreverse auf privatwirtschaftlicher Ebene die Preise von Büchern festgelegt und den Buchhandel verpflichtet, sich den Vorgaben der Verleger zu fügen. Die Buchpreisbindung ist seit Jahren ein Streitpunkt zwischen Europäischer Union (EU) und den Einzelstaaten, zwischen Wirtschaftsliberalen und Regulierungsbefürwortern.

"In Deutschland gibt es seit den 1880er Jahren eine Buchpreisbindung", sagt Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Interview mit DW-WORLD. Da sich der deutschsprachige Buchmarkt über die Staatsgrenzen hinaus nach Österreich und in die Schweiz erstreckt, galten die Abkommen zwischen Verlagen und Verkaufsstellen auch in diesen Ländern. Die Europäische Kommission meldete in den 1990er Jahren kartellrechtliche Bedenken an, da der zwischenstaatliche Sammelrevers zwischen Österreich und der Bundesrepublik gegen den freien Wettbewerb innerhalb der EU verstoße.

Trend zur Buchpreisbindung

Buchmesse Frankfurt
Deutsche Verleger als Befürworter der Buchpreisbindung auf der Frankfurter BuchmesseBild: AP

Österreich und Deutschland reagierten mit Gesetzen, die das Problem auf nationaler Ebene lösten. Sie folgten damit dem Vorbild Frankreich, wo die Buchpreisbindung seit 1981 gesetzlich geregelt ist. "Der Trend in Europa geht hin zur Buchpreisbindung. Immer mehr Länder folgen dem Vorbild Frankreichs", sagt Christian Sprang. "Allerdings gibt es auch Ausnahmen. England und Schweden wehren sich gegen eine Regulierung, London schaffte die Bindung vor einigen Jahren ab."

Die Befürworter sehen in der Regulierung eine Qualitätssicherung der Produkte auf dem Buchmarkt. "Die Buchpreisbindung führt zu einer Steigerung der Titelzahl und zu einer Preissenkung", so Sprang. In den Vereinigten Staaten, wo es keine Buchpreisbindung gibt, seien Bücher durchschnittlich teurer: "Wenn Bestseller sehr billig verkauft werden, führt das zu einer Steigerung der Preise anderer Bücher, als Ausgleich um den Umsatz zu sichern", kritisiert Christian Sprang die Preispolitik im amerikanischen Buchhandel gegenüber DW-WORLD.

Unabhängige Buchhandlungen, qualifiziertes Personal

Internet-Buchhändler Amazon
Der boomende Internet-Buchhandel erlitt einen RückschlagBild: dpa

Außerdem glauben die Befürworter, dass die Buchpreisbindung die Existenz unabhängiger Buchhandlungen mit qualifiziertem Personal sichert. Die würden dem harten Wettbewerb mit großen Ketten und Internet-Buchhändlern nicht standhalten können. Am 20. Juli hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden, dass das Werben von Neukunden durch Gutscheine gegen die Buchpreisbindung verstößt. Denn damit würden Bücher unter Preis verkauft.

Unter die Buchpreisbindung fallen auch CD-ROMs, die den Inhalt von Büchern abbilden. Hörbücher sind von der Regelung ausgenommen. Diese sind den gleichen Marktgesetzen unterworfen wie Tonträger. Gleiches gilt für fremdsprachige Bücher, die nicht primär für den deutschsprachigen Raum hergestellt werden.

Freier Markt und hohe Literatur

Was für die einen eine Qualitätssicherung des Kulturguts Buch bedeutet, ist für die anderen unzeitgemäße Marktregulierung. In den Vereinigten Staaten etwa veröffentlichten in den letzten Jahren die Verlage der einzelnen Universitäten vermehrt Titel, die traditionell von Buchpreisbindungsbefürwortern als Opfer des freien Buchmarktes dargestellt werden: anspruchsvolle Literatur und Übersetzungen von Klassikern, die mit den Verkaufzahlen von Bestsellerautoren nicht mithalten können.