Europa lehnt Brexit-Neuverhandlungen ab
11. Dezember 2018Nach EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker lehnten auch Deutschland und Frankreich Neuverhandlungen des Brexit-Vertrags grundsätzlich ab. "Es wird sicherlich keine irgendwie gearteten Zusagen geben, dass man jetzt das Fass nochmal aufmacht und nochmal neu verhandelt", sagte Europastaatsminister Michael Roth (SPD) in Brüssel. Die französische Europastaatsministerin Nathalie Loiseau sagte, der vorliegende Austrittsvertrag sei "der einzig mögliche" und forderte verstärkte Vorbereitungen der EU auf einen Austritt ohne Abkommen.
Zuvor hatte Juncker vor dem Europaparlament in Straßburg deutlich gemacht, "dass der Austrittsvertrag nicht noch einmal aufgemacht wird". Gleichzeitig deute er einen Ausweg an: "Aber natürlich gibt es Spielraum, wenn man den intelligent nutzt, es gibt genug Spielraum, um weitere Klarstellungen und weitere Interpretationen zu geben, ohne das Austrittsabkommen noch einmal aufzumachen." Ähnlich äußerte sich auch Tusk:"Wir sind aber bereit, darüber zu sprechen, wie die britische Ratifizierung erleichtert werden kann", twitterte Tusk.
May auf Europa-Tour
Am Dienstagabend wollen sich Tusk und Juncker mit Theresa May treffen, um nach einer Lösung zu suchen. Für die britische Premierministerin sind die Gespräche in Brüssel der Abschluss einer Sondierungsreise, die am Vormittag mit einem Arbeitsfrühstück beim niederländischen Premierminister Mark Rutte in Den Haag begann. "Es war ein nützliches Gespräch, bei dem wir den letzten Stand der Dinge um den Brexit besprochen haben", twitterte Rutte im Anschluss an das Gespräch. Beide Politiker äußerten sich nicht direkt zu der Unterredung. Anschließend flog May nach Berlin, wo sie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentraf.
Europastaatsminister Roth ging nicht davon aus, dass Merkel Zugeständnisse machen könne. Die Brexit-Verhandlungsführer säßen in Brüssel und die anderen EU-Staaten seien geeint in ihrer Position zum britischen EU-Austritt, sagte er. "Am Ende müssen Entscheidungen in London getroffen werden." Roth sprach von einer "wirklich traurigen Situation".
Abstimmung bis zum 21. Januar nachholen
Am Montag hatte May die eigentlich für diesen Dienstag im britischen Parlament geplante Abstimmung über den Brexit-Deal abgesagt. In einer Rede vor Abgeordneten räumte May ein, dass das von ihrer Regierung ausgehandelte Austrittsabkommen mit der Europäischen Union derzeit keine Aussicht auf eine parlamentarische Mehrheit habe: "Das Abkommen wäre mit einer beträchtlichen Mehrheit abgelehnt worden", sagte sie. Wie die Regierung in London mitteilte, soll das Votum des Unterhauses nun bis zum 21. Januar nachgeholt werden.
No-Deal-Szenario wird wieder wahrscheinlicher
Mit der Verschiebung des Votums gewinnt May Zeit. Die Umstände des britischen Ausscheidens aus der EU sind indes wieder völlig ungewiss. May strebt nun nach eigenen Worten weitere Verhandlungen mit der EU über den Brexit-Deal an. Dies hatten die Kritiker des Abkommens von ihr verlangt. Sie werde ihren EU-Kollegen die "deutlichen Bedenken" des britischen Unterhauses vortragen und "weitere Zusicherungen" aus Brüssel verlangen, erklärte May.
Die französische Europastaatsministerin Loiseau äußerte sich "sehr besorgt über die Verschiebung der Abstimmung". Die EU habe "viele Zugeständnisse gemacht, um zu diesem Vertrag zu kommen". Beim EU-Gipfel am Donnerstag würden die Staats- und Regierungschefs über die Lage beraten. Es sei nun aber auch die Verantwortung der anderen EU-Staaten, sich auf einen Austritt Großbritanniens ohne Abkommen vorzubereiten. Das sogenannte No-Deal-Szenario sei "nicht unwahrscheinlich".
"Exit vom Brexit"
Im Vereinigten Königreich wird derweil weiter auch über ein zweites Brexit-Referendum spekuliert. Beim ersten Referendum 2016 hatte sich nur eine knappe Mehrheit der Briten für die Loslösung von der EU ausgesprochen. Denkbar wäre auch ein "Exit vom Brexit". Die Schwelle dafür ist niedriger als gedacht, wie aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg hervorgeht. Großbritannien könnte demnach den Brexit einseitig und ohne Zustimmung anderer EU-Länder stoppen. Die Regierung in London erklärte umgehend, das spiele keine Rolle.
wa/cw (afp, dpa, rtr)