Europäische Union lobt irischen Sparplan
25. November 2010Irlands Entschlossenheit, sein Defizit abzubauen, biete ein "solides Fundament" für die bevorstehenden Verhandlungen über haushalts- und strukturpolitische Reformen, erklärte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Der Vier-Jahres-Sparplan werde dazu beitragen, die öffentlichen Finanzen in Irland zu stabilisieren.
Die Regierung in Dublin hatte zuvor angekündigt, die Staatsausgaben in den kommenden Jahren um zehn Milliarden Euro zu kürzen. Auf der Streichliste stehen unter anderem Tausende von Stellen im öffentlichen Dienst. Außerdem sollen fünf Milliarden Euro zusätzlich durch die Erhöhung von Steuern und Abgaben eingenommen werden. Selbst Ministerpräsident Brian Cowen räumte ein, dass der Lebensstandard für jeden im Land sinken werde. Seine Regierung will mit den Maßnahmen das Staatsdefizit bis 2014 auf die in der Eurozone geforderten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken. Das aktuelle Defizit Irlands beträgt 32 Prozent - ein europäischer Rekord.
85.000.000.000 €
Der drastische Sparplan ist Voraussetzung dafür, dass Irland Hilfen aus dem Rettungsfonds für angeschlagene Euro-Länder erhält. Cowen bezifferte die Höhe des Finanzbedarfs für sein Land auf etwa 85 Milliarden Euro. Über diese Summe werde verhandelt, Europäische Union und Internationaler Währungsfonds (IWF) hätten aber noch nicht zugestimmt, erklärte Cowen in Dublin. Analysten äußerten sich skeptisch. Zur Rettung Irlands vor dem Staatsbankrott sei wesentlich mehr Geld notwendig. Der Finanzexperte Constantin Gurdgiev vom Trinity College in Dublin verglich die Lage Irlands mit der Griechenlands. "Unsere Wirtschaft ist mehr als drei Mal so überschuldet", sagte er. "Wenn Griechenland insolvent ist, was sind wir dann?"
Im Sog der Irland-Krise geraten auf den internationalen Finanzmärkten auch Portugal und Spanien zunehmend unter Druck. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen kletterten nach oben. "Die Politik kann machen, was sie will - sie kriegt die Verunsicherung der Märkte nicht weg", meint der Direktor des Centrums für Europäische Politik (CEP), Lüder Gerken. Und er ist überzeugt: "Der Dominoeffekt kommt auf jeden Fall - egal, was man mit Irland macht. Die Kapitalmärkte haben schon Portugal im Visier, auch um Spanien dürfte es sehr eng werden", sagte Gerken der "Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung" vom Donnerstag (25.11.2010).
"Das Gerede..."
Der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hält Sorgen vor einem Überschwappen der irischen Schuldenkrise auf Portugal hingegen für unbegründet. Die Verschuldung Portugals sei niedriger, im Land gebe es keine Immobilienblase und die Banken hätten gute Kapitalreserven, sagte Van Rompuy. "Das Gerede über eine Ansteckung hat keine wirtschaftliche oder rationelle Grundlage." Der portugiesische Regierungschef José Sócrates versicherte, sein Land werde keine Finanzhilfe benötigen. Um das Defizit zu drücken, hat die Regierung in Lissabon harte Spar- und Sanierungsmaßnahmen beschlossen. Aus Protest dagegen hatten die portugiesischen Gewerkschaften für Mittwoch zum Generalstreik aufgerufen - das öffentliche Leben wurde dadurch massiv beeinträchtigt. Am Hauptstadt-Flughafen wurden fast alle Flüge gestrichen. Züge und Busse fuhren nicht, Häfen blieben ebenfalls geschlossen. Auch die Banken nahmen am Ausstand teil.
Spaniens Regierung wies Befürchtungen zurück, dem Land könne ein ähnliches Schicksal drohen wie dem krisengeplagten Irland. "Von Irland trennen uns ohne Zweifel Welten", sagte Wirtschaftsstaatssekretär José Manuel Campa. Spanien sei im Gegensatz zu Irland ein "Land mit niedrigen Schulden, das sich außerdem in einem finanziellen Konsolidierungsprozess befindet". Doch manche Finanzexperten sind weit weniger optimistisch. Schließlich hat Spanien eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent, das Wirtschaftswachstum liegt praktisch bei Null.
"Nur die Hälfte wert"
Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, appellierte an die EU-Staaten, ihre Defizite so rasch wie möglich abzubauen. "Das Vertrauen in die Solidität der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten ist nicht grenzenlos." Haushaltskonsolidierung sei daher aktive Politik für mehr Vertrauen und zur Wahrung der finanzpolitischen Handlungsfähigkeit. Die Konsolidierung auf die lange Bank zu schieben, hieße dagegen, das Vertrauen aufs Spiel zu setzen. Dies gelte auch für Länder mit einer guten Konjunkturlage wie Deutschland.
Trotz der Finanzkrise in der Eurozone rechnet der Chef des Euro-Rettungsschirmes, Klaus Regling, nicht mit einem Auseinanderbrechen des Währungsraumes. "Dass der Euro scheitert, ist unvorstellbar", sagte Regling der "Bild"-Zeitung. Die Gefahr liege bei Null, schließlich werde "kein Land freiwillig den Euro abgeben". Vor allem für schwächere Länder wäre das wirtschaftlicher Selbstmord. "Und politisch wäre Europa ohne Euro nur die Hälfte wert", betonte Regling. Für Deutschland sieht er sogar positive Auswirkungen der Krise. Mit ihren Hilfen für überschuldete Euro-Staaten werde die Bundesrepublik per Saldo Hunderte Millionen Euro im Jahr verdienen. "Niemand nimmt dem deutschen Steuerzahler etwas weg. Im Gegenteil. Deutschland wird mit seinem Beitrag zum Rettungsschirm höchstwahrscheinlich Gewinn machen. Allein bei Griechenland wären das bis zu 600 Millionen Euro pro Jahr, weil die Griechen eine Art Zinsgebühr für die Hilfskredite zahlen müssen."
Autor: Christian Walz (dpa, afp, rtr, dapd)
Redaktion: Frank Wörner