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Euro ist nur noch einen US-Dollar wert

Brigitte Scholtes Frankfurt am Main
12. Juli 2022

Es ist eine gefährliche Mixtur, die dem Euro derzeit zu schaffen macht: Zum einen eine drohende Rezession in der Euro-Zone, zum anderen der wachsende Zinsabstand zu den USA.

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Euro Münze auf Dollar-Scheinen
Unter Druck: Der Euro schwächelt, der Dollar wird immer stärkerBild: Klaus-Dieter Esser/agrarmotive/picture alliance

Der Euro hat am Dienstagmorgen wieder die Parität zum US-Dollar erreicht, ein Euro entsprach also genau einem Dollar. Das geschah zum ersten Mal seit fast 20 Jahren. Der Kurs erholte sich zwar schnell wieder. Doch Ökonomen rechnen damit, dass es für die europäische Gemeinschaftswährung noch weiter bergab gehen könnte.

Die Gemeinschaftswährung verliert gegenüber dem Dollar zwar schon seit Monaten an Wert. Doch die aktuelle Schwäche führen die Experten auf die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zurück. Der drohende Stopp russischer Gaslieferungen trifft vor allem Europa. "Auf die Konjunktur in den USA hätte das wenig Auswirkungen", vermutet Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte der Commerzbank. Sollte es soweit kommen, rechnen Ökonomen mit einer Rezession. Die Besonderheit dabei: Es wäre eine "inflationäre Rezession". "Normalerweise sinken in einer Wirtschaftsabschwächung auch die Preise", erklärt Leuchtmann. Doch weil die Importpreise so stark steigen - vor allem die für Rohstoffe, also auch Öl und Gas, importiert Europa gerade Inflation.

Inflationäre vs. normale Rezession

"Das schwächt die Wirtschaft zusätzlich", erklärt Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, die Schweiz, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Mit einer "normalen Rezession" können die Finanzmärkte besser umgehen, sagt der Ökonom. "Der furchtbare Vernichtungskrieg und die hohen Preise dämpfen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen." Einen wesentlichen Grund für die Euroschwäche sieht Lück aber auch in den Unterschieden der Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks. "Die amerikanische Notenbank Fed ist viel schneller und deutlicher auf die Bremse getreten als die Europäische Zentralbank das tun wird", ist er überzeugt. Allerdings ist die Steuerung der Geldpolitik für die europäische Zentralbank derzeit auch besonders schwierig.

Christine Lagarde, EZB-Präsidentin
Muss wichtige Entscheidung zur Zinspolitik fällen: Christine Lagarde, Chefin der EZBBild: Michael Probs/AP Photo/picture alliance

Die Zinsunterschiede zwischen den USA und dem Euroraum haben in der letzten Zeit weiter zugenommen. Denn während die Fed schon drei Zinsschritte unternommen hat und die Zinsen zunächst um 25 Basispunkte, dann um 50 und zuletzt sogar um 75 auf nun 1,5 bis 1,75 Prozent angehoben hat, liegt der Leitzins im Euroraum noch bei null Prozent - Banken müssen für ihre Einlagen bei der EZB weiter Strafzinsen von 0,5 Prozent zahlen.

Am Donnerstag kommender Woche (21.7.) sollen die Zinsen dann um 25 Basispunkte angehoben werden, im September vielleicht um weitere 50 Basispunkte. "Zuletzt sind aber Zweifel aufgekommen, ob die EZB dabei bleibt", sagt Christian Apelt, Devisenexperte der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Sie ist auf jeden Fall in einem Dilemma: Geht sie zu stark gegen die Inflation vor, die aktuell im Euroraum bei 8,6 Prozent liegt, steigt das Risiko einer Rezession. Tut sie zu wenig, wird wieder mehr Inflation importiert.

"Im Grunde werden wir ärmer"

Für Exporteure aus dem Euroraum könnte der schwache Euro zwar die Geschäfte ankurbeln. Denn ihre Produkte werden für ihre Abnehmer außerhalb Europas günstiger. Doch Rohstoffe und Vorprodukte müssen teurer bezahlt werden: "Ein schwächerer Euro hilft der Exportwirtschaft vor diesem Hintergrund nur bedingt", erklärt Sonja Marten, Devisenexperten der DZ-Bank. "Im Grunde werden wir ärmer", meint auch Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank. Denn pro Einheit Export könnten sich die Europäer dann weniger Import leisten.

Der Euro sei so billig wie nie, meint Leuchtmann auch mit Blick auf die Kaufkraft. Ökonomien schauen dabei, wieviel ein bestimmtes Produkt vor Ort in der einen und der anderen Währung kostet, also etwa ein Big Mac in New York und in Frankfurt. Und da zeigt sich: Der Euro ist deutlich unterbewertet. "Vor 20 Jahren war der Euro deutlich fairer bewertet", sagt auch Helaba-Experte Apelt. Solange die Unsicherheit wegen der russischen Gasimporte bestehe, rechnet er nicht mit einer Erholung. Sollte aber Russland den Gashahn wieder aufdrehen, könnte das auch dem Euro etwas aufhelfen - zumindest kurzfristig.