Auf Messers Schneide
21. Juli 2011Eigentlich sollten die Euro-Finanzminister schon vergangene Woche ein zweites Hilfspaket für das hochverschuldete Griechenland schnüren. Doch die Einigung scheiterte an unversöhnlichen Positionen. Nun soll beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder an diesem Donnerstag (21.07.2011) der Durchbruch gelingen.
Auf den letzten Drücker fanden Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy doch noch eine gemeinsame Linie, wie der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert am frühen Donnerstagmorgen mitteilte. Merkel und Sarkozy hatten für Mittwoch kurzfristig ein Treffen im Berliner Kanzleramt vereinbart, an dem am späteren Abend dann auch der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, teilnahm. Konkrete Ergebnisse wollte Seibert nicht verkünden.
"Die Lage ist sehr ernst"
Eile ist jedenfalls geboten - die Märkte sind im Aufruhr. Schließlich droht die Schuldenkrise sogar auf Spanien und Italien überzuspringen. Dementsprechend sind die Erwartungen an einen "großen Wurf" beim Brüsseler Sondergipfel groß. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso richtete am Mittwoch abermals einen dramatischen Appell an die Staats- und Regierungschefs: "Niemand sollte sich Illusionen hingeben: Die Lage ist sehr ernst. Sie verlangt eine Antwort. Sonst werden die negativen Folgen überall in Europa und darüber hinaus spürbar werden." Ohne eine Lösung "wird die Geschichte ein hartes Urteil über diese Politikergeneration fällen", glaubt Barroso.
Der EU-Kommissionspräsident fordert mehrere Minimalbeschlüsse vom Gipfel: zur Absicherung der griechischen Finanzlage, zu Machbarkeit und Höhe einer Beteiligung privater Gläubiger, zu Eingriffsmöglichkeiten des Euro-Rettungsfonds und zu Maßnahmen, den Bankensektor zu schützen. All das war bis zuletzt hochumstritten. Beispiel Privatsektorbeteiligung: Dass Griechenland seine Schulden aus eigener Kraft begleichen kann, glaubt praktisch niemand mehr. Wenn aber dem Land ein Teil seiner Schulden erlassen wird, wollen Deutschland, die Niederlande und Finnland, dass dann nicht nur der Steuerzahler, sondern auch private Banken und Versicherungen dafür aufkommen.
Die Wahl: Staaten oder Banken stützen
Doch der Widerstand ist groß. Er kommt von der EZB und einer ganzen Reihe von Regierungen. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker stellte Ende vergangenen Jahres kategorisch fest: "Im Falle Griechenlands, Portugals und Irlands wird der Privatsektor bis Mitte 2013 in keiner Weise beteiligt werden." Und an dieser Meinung hat sich im Grunde wohl nichts geändert. Es war vereinbart, dass es erst mit der Einführung eines dauerhaften Rettungsfonds 2013 eine systematische Privatgläubigerbeteiligung geben soll - und selbst das ist nicht sicher. Die Kritiker einer Bankenbeteiligung sagen, die Ratingagenturen würden das in jedem Fall als Kreditausfall bewerten. Und Mario Draghi, der künftige Chef der EZB, prophezeit weitreichende Konsequenzen: "Die griechischen Banken müssten nach dem Kreditausfall rekapitalisiert werden." Draghi befürchtet, dass die Steuerzahler überall in Europa dann reihenweise Banken stützen müssten und dass auf den Finanzmärkten Chaos ausbrechen würde.
Der europäische Kitt bröckelt
Manche Experten und Politiker schließen selbst eine geordnete Staatspleite Griechenlands und einen Ausschluss aus der Währungsunion nicht mehr aus. Sie warnen davor, unbegrenzte Hilfen würden den Reformwillen lähmen und dazu führen, dass die soliden Länder auf Dauer für die unsoliden haften müssten. Der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing beispielsweise sagt, bei einer Umschuldung dürfe Griechenland nicht in der Währungsunion bleiben. Manche befürchten, der Streit um die Euro-Krise werde die Währungsunion zerreißen.
Das lange Zögern der Bundeskanzlerin legten viele in Brüssel als mangelndes europäisches Engagement, sogar als Nationalismus aus. Doch Außenminister Guido Westerwelle versuchte zuletzt, diesen Eindruck zu zerstreuen. "Wir Deutsche werden uns (beim Gipfel) klar zu Europa bekennen. Das ist nicht nur europäisches Interesse, das ist unser eigenes Interesse. All diejenigen, die im Augenblick den Euro oder auch Europa nicht mehr ganz so wichtig nehmen, sollen sich mal überlegen, was aus der deutschen Wirtschaft würde ohne den Euro und ohne Europa. Dann ging's aber mit uns bergab."
Autoren: Christoph Hasselbach / Christian Walz
Redaktion: Reinhard Kleber