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Euphorische Staatsgründung

3. November 2009

Als am 7. Oktober 1949 die Delegierten des "3. Deutschen Volksrates" in Ost-Berlin zusammenkommen, um die DDR zu gründen, herrscht bei vielen Begeisterung. Sie wollen den "besseren" deutschen Staat ins Leben rufen.

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Blick in den Festsaal des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums in Ost-Berlin (Foto: AP)
Der "Deutsche Volksrat" proklamiert die Deutsche Demokratische RepublikBild: AP

15. September 1949 war im westdeutschen Bonn Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Nach Ansicht der SED-Funktionäre ist Adenauer der "Kanzler des westlichen Imperialismus" und die Feindfigur par excellence. Einen Tag später bricht eine Delegation aus Ostdeutschland unter Führung Walter Ulbrichts nach Moskau auf. Es geht um die Schaffung eines sozialistischen deutschen Staates.

Stalin stimmt zu

Offizielles Portrait von Stalin kurz nach der Gründung der DDR (Foto: AP)
Er gibt das Okay zur Gründung des zweiten deutschen Staates: StalinBild: AP

Elf Tage müssen die ostdeutschen Genossen in Moskau ausharren, bis sie im Kreml das Okay erhalten: Sie dürfen einen eigenen Staat gründen - unter der Obhut der Sowjetunion. Auf diese Zustimmung sind die Kader der aus der Zwangsvereinigung von SPD und KPD hervorgegangenen "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) vorbereitet. Bereits Mitte Mai 1949 war in der sowjetischen Besatzungszone per Einheitsliste der dritte "Deutsche Volkskongress" gewählt worden. Es ist die erste in einer langen Reihe von gefälschten Wahlen in der DDR. Denn als die SED-Funktionäre merken, dass 31,5 Prozent mit "Nein" gestimmt und sich weitere sieben Prozent der Stimme enthalten haben, wird die Auszählung wiederholt. Diesmal werden durchgestrichene und weiße Stimmzettel als "Ja"-Stimmen gewertet, und so konnte am Abend des 16. Mai 1949 dann offiziell bekanntgegeben werden, dass die Zustimmung zur Einheitsliste der SED nunmehr bei 61,1 Prozent lag.

"Es muss demokratisch aussehen…"

Der so gewählte Volkskongress setzte einen "Deutschen Volksrat" ein, der die schon ausgearbeitete Verfassung der "Deutschen Demokratischen Republik" bestätigen und die Gründung des neuen Staates durchführen soll. Walter Ulbricht, der im Hintergrund die Fäden in der Hand hält, hatte die Parole ausgegeben, es müsse demokratisch aussehen, aber die SED müsse "alles in der Hand" haben.

Walter Ulbricht und Otto Grotewohl (Foto: AP)
Walter Ulbricht am 7. Oktober 1949 im Gespräch mit Otto Grotewohl, dem ersten Ministerpräsidenten der DDRBild: AP

Am 7. Oktober 1949 ist es soweit, die Delegierten des Volksrates versammeln sich im Festsaal des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums. Die Bürger der DDR lauschen an Radiogeräten der Übertragung des ostdeutschen Rundfunks. Mit einer dem Ereignis angepassten Stimme verkündet der Reporter, dass sich "hier ein Stück deutscher Geschichte" vollziehe. Dann können die Menschen an den Radiogeräten verfolgen, wie Staatspräsident Wilhelm Pieck die Geburt der ersten "Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden" verkündet: "Auf der Grundlage der vom 3. deutschen Volkskongress bestätigten Verfassung ist in der deutschen Hauptstadt Berlin einmütig von allen Parteien und Massenorganisationen im deutschen Volksrat die deutsche demokratische Republik geschaffen worden".

Straßenumzug 1949 (Foto: AP)
Die Gründung der DDR wird von Propaganda-Aktionen der Massenorganisationen begleitet. Straßenumzüge und Jubelveranstaltungen prägen den Alltag in Ostdeutschland.Bild: AP

Spaltung Deutschlands und Europas

Jetzt ist vollzogen, was sich zwischen den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs schon seit langem abgezeichnet hatte: Aus einer gemeinsamen Verantwortung für das besiegte Deutschland war ein Kampf um die Vorherrschaft in Europa geworden. Zwar ist die Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland noch nicht mit Stacheldraht und Selbstschussanlagen "gesichert", aber sie markiert neben der deutschen Teilung auch die Spaltung des europäischen Kontinents. Auf beiden Seiten der "Demarkationslinie" werden die Deutschen zu Vasallen ihrer jeweiligen Besatzungsmächte.

Der russische Diktator Stalin verfolgt ein klares Ziel. Mit der Gründung der DDR, die im so genannten "Ostblock" fest verankert wird, schiebt er den politischen und militärischen Einfluss der Sowjetunion endgültig bis an die Elbe vor. Der "große Führer der Sowjetunion" schreibt an diesem 7. Oktober 1949 an die Staatsgründer der DDR, dass die "Existenz eines friedliebenden, demokratischen Deutschlands neben dem Bestehen der friedlichen Sowjetunion" sowohl einen neuen Krieg als auch die "Versklavung der europäischen Länder durch die Westimperialisten unmöglich macht."

Der "bessere" deutsche Staat

Während im Westen rasch wirtschaftlicher Aufschwung und politische Stabilität die Sorgen der Nachkriegszeit verdrängen, will die "Deutsche Demokratische Republik" nicht nur materiellen Wohlstand, sondern vor allem auch einen ideologischen Neubeginn nach dem Desaster des Dritten Reiches.

Wilhelm Pieck (Foto: AP)
Unter dem Beifall der Delegierten nimmt er die Wahl zum Staatspräsidenten an: Wilhelm PieckBild: AP


Viele Bürger der DDR teilen 1949 diese Auffassung. Für sie ist die sozialistische Staatsordnung die richtige Antwort auf Faschismus, Krieg und Holocaust, die das deutsche Ansehen in der Welt beschädigt hatten. Der spätere Generalsekretär der SED, Walter Ulbricht, stellt klar, dass das Wichtigste "der Kampf gegen die faschistische Ideologie und gegen andere reaktionäre Ideologien (sei), die gegen das Interesse der Arbeiterklasse, die gegen eine fortschrittliche Entwicklung in Deutschland gerichtet sind."

Wenig später fügt er hinzu, dass "der Tag kommen werde, an dem die SED zur führenden Partei in ganz Deutschland werde, weil die große Mehrheit aller Deutschen es so will." Aber so euphorisch die Gründung des sozialistischen deutschen Staates bei einem Teil der Bevölkerung aufgenommen wird, so drastisch ist der Vertrauensverlust in die politische Führung, der bald darauf einsetzt.

Missglücktes Experiment

Logo der SED (Foto: wikipedia)
Logo der SED - Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

Die Geschichte der DDR steht von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Vision, die SED werde einst in ganz Deutschland die "führende Partei" sein, verkehrt sich schnell ins Gegenteil und gipfelt 1989 in dramatischer Weise im Sturz des SED-Regimes durch die friedliche Revolution der DDR-Bevölkerung. Sie wünscht sich stattdessen die demokratischen Parteien des Westens. Ebenso wie sich die Phantasie Walter Ulbrichts nicht erfüllen sollte, fiel der von Stalin geäußerte Vorwurf, die "Westimperialisten" wollten die europäischen Länder "versklaven", auf seinen Urheber zurück.

Die Geburtsurkunde der DDR trug schon den Totenschein in sich: Keine Reisemöglichkeiten und die Überwachung des eigenen Volkes durch das "Ministerium für Staatssicherheit" trugen ebenso zum Untergang des Staates bei, wie der Bau der Mauer im August 1961 oder die hohlen Sprüche von vergreisten SED-Funktionären. Nach 40 Jahren Unterdrückung der Meinungsfreiheit und Einschränkung der persönlichen Entwicklung platzte der Traum vom angeblich "besseren deutschen Staat" mit einer derartigen Wucht, dass die DDR-Bürger kaum Interesse daran hatten, irgendetwas von ihrem Staat in die neue Zeit hinüber zu retten.

Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Hartmut Lüning