EuGH kippt exklusive TV-Rechte für Fußball
4. Oktober 2011Fußball ist Fußball – dieser Meinung war Karen Murphy aus dem südenglischen Southsea. Daher kaufte die Pub-Besitzerin schon 2007 eine Karte für den Satelliten-Decoder des griechischen Anbieters Nova. Denn dieser besaß damals die Übertragungsrechte in Griechenland für die englischen Premier-League-Spiele.
6500 Euro gespart
Seitdem schauten die Gäste der Wirtin englische Fußballspiele des griechischen Anbieters. Und die Wirtin freute sich doppelt. Sie hatte Live-Fußball in ihrem Pub und sparte pro Jahr 6500 Euro. So viel mehr hätte nämlich die Gaststättenlizenz des britischen Pay-TV-Senders BSkyB gekostet. Dieser besaß in England exklusiv die Live-Übertragungesrechte für die erste Fußball-Liga.
Premier-League-Spiele im englischen Pub ohne BSkyB-Decorder? Das kann nicht sein, dachte sich die englische Fußball-Liga und verklagte Karen Murphy. Die Football Association Premier League (FAPL) sah als Vermarkter der englischen Premier-League-Spiele einen klaren Verstoß gegen das Urheberrecht.
Verstoß gegen Dienstleistungsfreiheit
Die Pub-Besitzerin Murphy wehrte sich und so landete das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Dieser urteilte am Dienstag, (04.10.2011) im Sinne der Wirtin: Ausländische Decoderkarten dürfen zum Empfang von Übertragungen von Fußballspielen im Bezahlfernsehen nicht verboten werden. Nach Ansicht der Richter verstoßen derartige Exklusiv-Vereinbarungen gegen EU-Recht, insbesondere gegen die Dienstleistungsfreiheit.
Die Richter kamen zu dem Schluss, dass "nationale Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen". Zur Begründung hieß es, Fußballspiele seien keine "geistige Schöpfung", für die eine Fußball-Liga Urheberrechte geltend machen könne. (Az: C-403/08 und C-429/08)
Keine Berufung möglich
Die FAPL hatte EU-weit jeweils nur einem TV-Sender pro Land die Übertragungsrechte in offenen Ausschreibungsverfahren verkauft und den Sendern zugleich untersagt, Decoderkarten an Konsumenten anderer Länder abzugeben. Dass die Sender für diese Gebietsabschottung dann einen Aufpreis zahlen, führt laut EuGH zu "künstlichen Preisunterschieden" zwischen den abgeschotteten nationalen Märkten. Dies sei mit dem Ziel eines europaweiten Binnenmarkts nicht vereinbar.
Ein System von exklusiven Lizenzen verstößt auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union, so der Spruch. Eine Berufung gegen den Richterspruch ist nicht möglich.
Das EuGH-Urteil könnte das Geschäftsmodell europäischer PayTV-Anbieter gehörig durcheinanderbringen. Fernsehzuschauer müssen nicht mehr unbedingt einen einheimischen PayTV-Sender abonnieren, um sich Fußball-Übertragungen anzuschauen. Die Fußballfans dürfen auch auf ausländische Fernseh-Anbieter zurückgreifen.
Schlechte Nachricht für Fußballclubs
Für die europäischen Profi-Fußballclubs und Bezahlfernsehsender ist das eine schlechte Nachricht. Bisher konnten die Bundesliga oder die englische Premier League ihre Fußballrechte in jedem EU-Land einzeln verkaufen - meist für viel Geld an Bezahlfernseh-Konzerne wie Sky Deutschland oder BSkyB in Großbritannien. Die Sender hatten dafür die Exklusivrechte.
Echte Fußballfans können sich also nun auf die Suche nach dem billigsten Anbieter für ihre Liga machen. Wer die Bundesliga schauen möchte, muss daher nicht unbedingt das Angebot von Sky nutzen. Vielleicht sind spanische, griechische oder polnische Anbieter günstiger?
Der TV-Sender BSkyB hat bereits angekündigt, auf eine finanzielle Vertragsanpassung zu drängen. Billige Konkurrenz aus dem Ausland gefährde schließlich die Refinanzierung der immensen Rechtekosten.
Hymne darf nicht gezeigt werden
Eines darf Karen Murphy in ihrem Pub aber nicht übertragen: Die Hymne der Premier-League. Denn die Erkennungsmelodie, entschieden die EuGH-Richter, fällt unter den Urheberschutz. Diese Werke seien geschützt und dürften nicht über einen ausländischen Decoder übertragen werden, da nur BSkyB die Rechte dafür besitze.
Autorin: Marion Linnenbrink (afp, dapd, dpa, sid, rtr)
Redaktion: Martin Schrader