Pestizide verbieten
13. Januar 2009Man kann sie weder sehen noch schmecken, darin liegt das Unwägbare für den Verbraucher. Doch auf Obst und Gemüse sind Mittel gegen Schädlinge, Unkraut oder Pilzbefall allgegenwärtig. In der europäischen Landwirtschaft werden Pestizide, auch Pflanzenschutzmittel genannt, in großem Stil eingesetzt. Zwar zeigen Umfragen, dass die Europäer Angst vor übermäßig belasteten Lebensmitteln haben, doch angesichts knapper Kassen und hoher Nahrungsmittelpreise ist besonders in Deutschland die Nachfrage nach billigen Produkten hoch.
Lange Übergangsfristen
Besonders gefährliche Pestizide sollen jedoch in der EU jetzt erstmals verboten werden. Einer entsprechenden Verordnung stimmte das Europaparlament am Dienstag (13.1.2009) in abschließender Lesung zu. Sie sieht vor, dass Substanzen, die Krebs erregen, das Erbgut verändern oder die Fruchtbarkeit mindern können, bis 2018 nach und nach vom Markt genommen werden - theoretisch.
Doch bis alle Pestizide vom Markt verschwunden sein werden, dürfte es noch einige Jahre dauern. Denn für jeden einzelnen Inhaltsstoff soll die volle Zulassungszeit erst ablaufen - und die beträgt normalerweise zehn Jahre. Von insgesamt 400 Pflanzenschutzmitteln kommen jetzt 22 Stoffe auf den Index. Mehr als anderthalb Jahre haben EU-Kommission, die Regierungen der EU-Staaten und das Europaparlament verhandelt, bis dieser Kompromiss zustande kam. Immer wieder hatten dabei Hersteller und Bauernverbände versucht, die Gesetzgebung abzuschwächen. Sie haben dabei unter anderem die langen Restlaufzeiten erwirkt.
Unter anderem der Deutsche Bauernverband und Herstellerfirmen hatten im Verlauf der Verhandlungen vor Übertreibungen gewarnt. Sie bestreiten die Gefährlichkeit der Pestizide bei normaler Ernährung und argumentieren, ohne einen großzügigen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden würden die Lebensmittelpreise steigen. Die Grünenabgeordnete Hiltrud Breyer glaubt jedoch, dass die "Kampagne der Angstmacher" der Pestizidindustrie ins Leere gelaufen sei: "Es waren die Vertreter der Landwirtschaftsverbände, die sich vor den Karren der Pestizidindustrie haben spannen lassen.“
Kritik von Umweltschützern
Doch während von Verbraucherschützern zumindest verhaltener Beifall kommt, nennen Umweltschützer die neuen Regeln ungenügend. Der "Gift-Lobby" sei es gelungen, die guten Ansätze des EU-Parlamentes zum Schutz der Umwelt und der Verbraucher auszuhöhlen, klagt Greenpeace-Experte Manfred Krautter. So könne es für die Pestizide auf der Schwarzen Liste Ausnahmezulassungen von bis zu fünf Jahren geben. Bei hormonell wirksamen, nervengiftigen, das Immunsystem schädigenden oder für Bienen giftigen Pestiziden gebe es keinen Zulassungsstopp.
Die Europaabgeordneten sind hingegen mit dem neuen Gesetzeswerk zufrieden. Hiltrud Breyer sprach von einem "Riesenerfolg", denn noch enthalte 49 Prozent allen Obstes, Gemüses und Getreides in der EU einen "Pestizidcocktail" - so viel wie noch nie. Dagegen verwahrt sich die Chemieindustrie, zu der in Deutschland vor allem Bayer und BASF gehören. Sie verwiesen auf die strenge Überprüfung der eingesetzten Chemikalien. BASF-Vorstand Stefan Marcinowski warnte sogar vor "Agrarromantik". Ohne permanente Innovationen wie Pflanzenschutzmittel und biotechnologisch verbessertes Saatgut, welches weltweit bereits auf über 110 Millionen Hektar ausgebracht werde, sei die Ernährung der Menschheit überhaupt nicht möglich, so der Chemiker und Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft in München.
Die Neuregelung gilt auch für Importprodukte wie Trauben aus Marokko oder Bananen aus Südamerika. Wenn diese Länder weiterhin ihre Produkte in der EU verkaufen wollten, müssten sie die neuen Vorschriften einhalten, sagte die CDU-Europaabgeordnete Christa Klass. Die EU wird mit der Neuregelung die weltweit strengste Pestizid-Verordnung bekommen.
Weniger Pestizide in Parks und auf Spielplätzen
Separat vom Verbot der konkreten 22 Pestizide in der Lebensmittelproduktion will die EU aber auch allgemein den Gebrauch schädlicher Pflanzenschutzmittel einschränken. Auf Sport- und Spielplätzen, in Parks und öffentlichen Grünanlagen dürfen sie in Zukunft nicht mehr verwendet werden. Auch in der Nähe von Naturschutzgebieten soll der Einsatz der Chemikalien zumindest eingeschränkt werden.