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Jazenjuk macht Russland Vorwürfe

Bernd Riegert13. Mai 2014

Wenig begeistert vom "Runden Tisch" der OSZE holt sich die ukrainische Regierung erste Hilfsgelder in Brüssel ab. Die Suche nach einer diplomatischen Lösung der Krise geht weiter: Wie wird der "Runde Tisch" aussehen?

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Treffen zwischen Jose Manuel Barroso und Arsenij Jazenjuk in Brüssel (Foto: Reuters)
Appelle und Stirnrunzeln: Ukrainischer Regierungschef Jazenjuk (l.) bei EU-Kommissionspräsident BarrosoBild: Reuters

Der ukrainische Regierungschef hatte am Morgen noch den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Kiew getroffen. Dann stieg er mit seinen Ministern ins Flugzeug, um am Nachmittag in Brüssel zwei Stunden mit der EU-Kommission zu konferieren. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz machte Arseni Jazenjuk einen ruhigen, aber angestrengten Eindruck. Die Frage, ob seine Regierung an einem "Runden Tisch" der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) teilnehmen werde, beantwortete Jazenjuk ausweichend.

Die Gespräche unter Vermittlung des deutschen Spitzendiplomaten Wolfgang Ischinger sollten am Mittwoch (14.05.2014) in der ukrainischen Hauptstadt beginnen. Die OSZE wollte mit Unterstützung der Europäischen Union die Regierung der Ukraine und Vertreter aus den abtrünnigen Regionen im Osten des Landes an einen Tisch bringen. Arseni Jazenjuk sagte in Brüssel, den "nationalen Dialog" in der Ukraine gebe es bereits. Seine Regierung habe den Dialog mit dem Ziel einer Verfassungsreform schon vor zwei Monaten begonnen. Mit Blick auf die Bemühungen der OSZE merkte Jazenjuk nur kurz an: "Dies muss ein Prozess sein, der von der Ukraine geführt und verantwortet wird."

Frank-Walter Steinmeier in Kiew mit Arsenij Jazenjuk (rechst) (Foto: Reuters)
Handedruck in Kiew: Vermittler Steinmeier (l.), Gastgeber JazenjukBild: Reuters

Ukrainischer Regierungschef will keine Zugeständnisse machen

Das russische Außenministerium hatte kurz zuvor in Moskau gefordert, dass die Ukraine den prorussischen Regionen im Osten mehr Rechte zugesteht und die Separatisten am "Runden Tisch" beteiligt werden sollten, berichten Nachrichtenagenturen. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk ging auf die russischen Forderungen nicht ein, sondern gab Russland die Schuld an der instabilen Lage in Teilen des Landes. Mit leicht spöttischem Unterton bemerkte Jazenjuk: "Russland scheint sich ja schon stark zu engagieren, allerdings bei der Unterstützung von prorussischen Aktivisten und Terroristen. Wir fordern Russland auf, diese Leute zu verdammen und von den sogenannten Demonstranten zu verlangen, besetzte Gebäude zu räumen. Russland sollte alles tun, um die Lage in der Ukraine stabiler zu machen." Entschlossen wandte sich der Regierungschef, dessen Legitimität von Moskau bestritten wird, an die russische Führung: "Russland wird daran scheitern, aus der Ukraine einen gescheiterten Staat zu machen."

Zuvor hatte die Regierung in Kiew schriftlich erklärt, sie werde sich am Mittwoch mit jedem an den Tisch setzen, der legitime politische Ziele mit legalen Mitteln verfolge. Am Sonntag (11.05.2014) durchgeführte "Referenden" in einigen Regionen der Ostukraine, die zu einer Unabhängigkeit führen sollen, werden weder von der Zentralregierung in Kiew noch der der Europäischen Union anerkannt. EU-Diplomaten sahen es in Brüssel nach den Gesprächen zwischen Jazenjuk und dem EU-Kommissionspräsidenten Jose Barroso als "kleines Zeichen der Hoffnung", dass Russland die abtrünnigen Gebiete bislang nicht anerkannt habe.

Die zur Ukraine gehörende Krimhalbinsel war im März nach einer ähnlichen Abstimmung nach wenigen Tagen in das russische Staatsgebiet aufgenommen worden. EU-Kommissionspräsident Jose Barroso forderte Russland auf, sich für die Stabilität der Ukraine einzusetzen, so wie das bei der Genfer Konferenz kurz vor Ostern zugesagt worden sei. Russland sollte "die Ermächtigung zum Einsatz von Truppen auf ukrainischem Gebiet zurücknehmen. Es sollte als verantwortlicher Akteur in der Gemeinschaft der Nationen handeln", sagte Barroso.

EU appelliert an Russlands eigene Interessen

Die EU hatte am Montag die Strafmaßnahmen leicht ausgeweitet und droht mit harten Wirtschaftssanktionen für den Fall, dass Russland sich in die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai in der Ukraine einmischt. "Es ist nicht gut für Russland, sich so eine Auseinandersetzung mit der Europäischen Union zu liefern. Die EU ist mit Abstand der größte wirtschaftliche Partner Russlands, beim Handel und bei den Investitionen", gab der EU-Kommissionspräsident zu bedenken.

Treffen zwischen Jose Manuel Barroso und Arsenij Jazenjuk (links) in Brüssel (Foto: Reuters)
Abkommen bringen Hilfskredite: Jazenjuk und Barroso unterschreibenBild: Reuters

Was der russische Präsident Wladimir Putin wirklich im Schilde führe, wolle er nicht bewerten, so Barroso weiter. Aber er kenne den Mann im Kreml gut. "Ich habe ihn in meinen zehn Jahren als Kommissionspräsident mindestens 20 Mal getroffen." EU-Diplomaten in Brüssel bezweifeln aber inzwischen, ob sich Russland von Wirtschaftssanktionen tatsächlich beeindrucken ließe. Der russische Präsident Wladimir Putin handle nach anderen Maßstäben als die EU. Es gehe ihm um Macht, Einfluss und nicht so sehr um das wirtschaftliche Gedeihen seines Landes.

EU-Kommission hilft Ukraine mit ersten Zahlungen

Jose Barroso forderte Putin auf, sich auf trilaterale Gespräche mit der Ukraine und der EU über Gaspreise und Liefersicherheit für Energie aus Russland einzulassen. Der ukrainische Ministerpräsiden Jazenjuk drohte dem russischen Gaskonzern "Gazprom" mit juristischen Schritten, falls sich das Unternehmen weigere, marktgerechte Preise für seine Lieferungen auszuhandeln. Jazenjuk verlangte die Rückgabe von beschlagnahmten Unternehmen und Vermögen auf der Krim, die sich Russland im März durch die Annexion angeeignet habe. "Russland hat unsere Gasfelder an Land und vor der Küste geraubt. Wir sehen uns vor Gericht", kündigte der ukrainische Ministerpräsident an.

Die wirtschaftlich stark unter Druck stehende ukrainische Regierung und die EU-Kommission unterzeichneten in Brüssel zwei Abkommen. 350 Millionen Euro sind für den Aufbau einer effektiven Verwaltung vorgesehen. 600 Millionen Euro sollen als erste Rate eines Kredites von insgesamt 1,6 Milliarden Euro in den nächsten Tagen ausgezahlt werden, um akute Haushaltslücken in der Ukraine zu überbrücken, sagte EU-Kommissionspräsident Barroso.

Barrikaden vor der Regionalverwaltung in Donezk (Foto: DW/Karina Oganesian)
Barrikaden vor der Regionalverwaltung in Donezk: Sichere Wahlen möglich?Bild: DW/K. Oganesian

Präsidentschaftswahlen sollen wie geplant stattfinden

Barroso und sein ukrainischer Gast waren sich einig, dass die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai unbedingt wie geplant durchgeführt werden müssten. Das sei auch in fast allen Regionen in der Ukraine möglich, so Arseni Jazenjuk. Nur in der Stadt Slowjansk, die von Rebellen kontrolliert wird, und einigen Bereichen der Ostukraine sei das womöglich schwierig, räumte der Regierungschef ein. "Wir bewahren in der südlichen Ukraine noch Stabilität, obwohl Russland verzweifelt versucht, dort Aktionen auszulösen. Wir gestehen zu, dass es einige konfliktbeladene Bereiche geben wird, wo es schwer sein wird, faire und freie Wahlen abzuhalten." Diese Aussage machte er allerdings, bevor das Verteidigungsministerium in Kiew bekannt gab, dass sechs ukrainische Soldaten im Osten der Ukraine erschossen wurden. Ob und wie die ukrainische Regierung zum Beispiel für die Sicherheit von internationalen Wahlbeobachtern und Wahlhelfern vor Ort sorgen könne, sei noch nicht klar, so Diplomaten in Brüssel.