EU speckt ab bei Klimazielen
15. Januar 2014Es soll zwar noch eine Woche dauern, bis EU-Kommissar José Manuel Barroso die Vorschläge für die neuen Klimaziele der Europäischen Union offiziell präsentieren will. Aber was sich schon abzeichnet, hat es in sich. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet unter Berufung auf Kreise der Kommission, dass die EU nur noch bis 2020 verbindlich vorschreiben will, wie hoch der Anteil der Öko-Energien am jeweiligen nationalen Energiemix steigen soll.
Binnen sechs Jahren sollte er 20 Prozent betragen und bis dahin - so der bisherige Plan - auch eine Regelung für die Folgezeit gefunden worden sein. Jetzt sieht es so aus, als ob Brüssel die Regelung ersatzlos auslaufen lässt. Ebenso wird kein neues Ziel bei der Energieeffizienz angestrebt, so dass von den drei Säulen des EU-Klimaschutzes lediglich eine Festlegung der CO2-Emissionen bleibt. Sie sollen um 35 bis 40 Prozent weniger als 1990 werden. Diese Pläne werden offenbar auch vom deutschen EU-Energiekommissar Günther Oettinger unterstützt.
Hendricks und Gabriel protestieren
In Berlin stößt dies auf wenig Gegenliebe. "Wir werden uns sehr genau ansehen, was die Kommission da vorlegt", sagte eine Sprecherin von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Europa müsse weiterhin Vorreiter beim Klimaschutz sein. Die Ministerin selbst äußerte sich schriftlich: "Wir brauchen klare eigenständige Ziele für den Klimaschutz, für die Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien." Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte verbindliche Ausbauziele wichtig für den Umbau der Energiesysteme in Deutschland und Europa. Die beiden Minister hatten bereits im vergangenen Dezember mit Fachministern anderen EU-Staaten Briefe an Barroso gesandt, in denen sie für diese Haltung warben - offenbar ohne Erfolg.
Innerhalb der Europäischen Union wird derzeit ein harter Machtkampf über die Zukunft der Klimapolitik geführt. Deutschland sieht nun seine Ambitionen und damit sein Prestige im internationalen Klimaschutz in Gefahr. Dagegen gelten besonders das Kohle-orientierte Polen und Großbritannien als Bremser der Klimapolitik. In Großbritannien wurden im vergangenen Herbst Pläne für ein neues großes Atomkraftwerk in Südengland unterzeichnet. Dort sollen für 15 Milliarden Euro zwei Druckwasserreaktoren in britisch-französisch-chinesischer Zusammenarbeit gebaut werden. Für ihren Strom wurden bereits ungewöhnlich hohe Abnahmepreise vereinbart.
Branchenvertreter unzufrieden
Nach Vorlage der Kommissionsvorschläge werden sich neben dem EU-Energieministerrat und dem EU-Umweltministerrat auch die Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Rat im März mit den Vorschlägen befassen. Noch sei nichts entschieden, war den Äußerungen aus der Bundesregierung zu entnehmen. Aber die Bestürzung über die Pläne der Kommission ist groß. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) spürt politischen Gegenwind für umweltfreundliche Energieproduzenten. "Das ist sehr enttäuschend", urteilt BEE-Sprecher Jens Tartler, "wir haben monatelang versucht das zu verhindern". Es sei ein negativer Impuls, der die Planungssicherheit beeinträchtige und damit Investitionen bei den erneuerbaren Energien behindere. Wenn man sich nur auf CO2-Werte konzentriere und die Verklappung von Kohlendioxid im Boden (CCS) weitertreibe, laufe das auf einen Ausbau von Kohlekraftwerken und AKWs hinaus. Besonders kritisch sieht Tartler die Rolle des EU-Energiekommissars: "Es ist schlimm, dass sich Oettinger nicht für die Ziele der Bundesregierung einsetzt."
Auch die beiden Oppositionsparteien im deutschen Bundestag kritisierten Barrosos Pläne. "Die Vorschläge aus Brüssel entziehen der Energiewende in Deutschland die Grundlage", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer. Die Linke forderte eine Aufstockung der Kohlendioxidreduzierung auf 55-60 Prozent.