EU setzt auf bilaterale Abkommen
6. April 2017US-Präsident Donald Trump ist seit 75 Tagen im Amt und in Brüssel wissen die Fachleute bei der EU-Kommission immer noch nicht genau, in welche Richtung sich Handelsbeziehungen mit den USA entwickeln. "Da ist inhaltlich bisher wenig passiert in Bezug auf Europa", gibt ein ranghoher Beamter der EU-Exekutive zu bedenken. "Da sollten wir nicht zu kritisch und zu schnell reagieren." Aber der Handelsfunktionär ist beunruhigt: "Das sind schwierige Zeiten für den Freihandel, die USA haben das erste Mal den Konsens aufgekündigt, dass der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr das Ziel ist." Trump hatte bereits kurz nach Amtsantritt das Transpazifische Handelsabkommen TPP aufgekündigt, aus dem Transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa wird wohl auch nichts mehr.
Es wird eifrig spekuliert in Brüssel und auch trotz aller beschwichtigenden Kommentare bereits über Gegenmaßnahmen nachgedacht. Da ist zum Beispiel das Projekt der US-Republikaner, eine Grenzausgleichssteuer (Border Adjustment Tax) einzuführen. Nach US-Medien ist Donald Trump dabei, sich für die Idee zu erwärmen, weil das "zu einer Menge neuer Jobs führen könnte". Die Abgabe ist so ausgelegt, dass nationale Unterschiede bei der Unternehmensbesteuerung für den US-Markt ausgeglichen würden.
Die Maßnahme ist ziemlich umstritten, aber es ist absehbar, dass dadurch europäische Waren in den USA teurer würden und die US-Produkte günstiger im Ausland angeboten werden könnten. Bei der EU-Kommission hält man das für einen Verstoß gegen die Regeln des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), gegen die man klagen könnte. "Das kann allerdings bis zu zwei Jahre dauern und dann weiß man auch noch nicht, ob sich die USA der Entscheidung beugen", heißt es aus Kreisen der Kommission. Denkbar sei es auch, mit Schutzzöllen auf eine Grenzausgleichssteuer zu reagieren, um so "die Vorteile für die US-Unternehmen wieder wegzunehmen". Man interveniere auf "allen Kanälen, um Böses zu verhindern". Aufmerksam werden in Brüssel auch die Dumping-Vorwürfe des US-Handelsministeriums gegen die Stahlkonzerne Dillinger Hütte und Salzgitter wahrgenommen. "Das sind keine guten Nachrichten", so ein Beamter.
16 Handelsabkommen in der Mache
Nachdem sich die USA von multilateralen Handelsabkommen abgewandt haben, bemerkt man in Brüssel ein verstärktes Interesse an bilateralen Abmachungen. Es gebe derzeit Verhandlungsmandate für 16 Abkommen. Dieses Jahr noch könnten die Gespräche mit Japan abgeschlossen werden und sich dadurch vor allem für die europäische Landwirtschaft interessante Perspektiven eröffnen. Auch mit Mexiko und dem südamerikanischen Handelsverbund Mercosur seien die Verhandlungen schon weit fortgeschritten. Es gebe auch eine Reihe von Abkommen, die in Kraft seien, aber kaum genutzt würden - zum Beispiel mit Korea, Kanada, Singapur und Vietnam. Mit Osteuropa werden die Handelsbeziehungen vertieft und mit der Türkei arbeitet die EU an einer Reform der Zollunion.
Man freut sich in der EU-Kommission über den Schwung, den die US-induzierte Verunsicherung in die Handelsgespräche der Europäer gebracht hat. Das Interesse verstärkt das Bild, dass die Amerikaner dabei sind, sich durch eine protektionistische Politik zu isolieren. Also auf zu neuen Märkten? So einfach wird das nicht geschehen. Die USA sind zu wichtig als Exportziel für die Europäer, als dass man sie links liegen lassen könnte. Ein Fünftel der europäischen Exporte ginge in die USA. Damit sind die Vereinigten Staat das Hauptabnehmerland für EU-Waren außerhalb der Union im letzten Jahr. In der EU-Kommission sieht man in den einzelnen Freihandelsabkommen deshalb "nur eine Rückfallposition" und will die Hoffnung auf multilaterale Lösungen, die auch die USA einbinden, nicht aufgeben.
Enttäuschung garniert mit Warnungen
Die Kampagne des "America first", mit der Donald Trump seinen Bürgern mehr Jobs und Wohlstand verschaffen will, läuft gegen die Glaubenssätze des freien Marktes. Sich gegen protektionistische Maßnahmen wiederum mit Strafzöllen und anderen Handelsbarrieren zu wehren gilt als wenig zielführend. "Das darf alles nicht dazu führen, dass man die Grenzen dichtmacht", beschwört der Kommissionsfunktionär, "denn im Endeffekt gibt es dann nur Verlierer".