1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU muss Status von Hamas überprüfen

Bernd Riegert17. Dezember 2014

Teilerfolg für die Hamas, die bislang in der EU als Terrororganisation gilt: Das zweithöchste Gericht der EU entfernte die Hamas von der "Schwarzen Liste". Praktisch ändert sich aber erst einmal nichts.

https://p.dw.com/p/1E6EW
Europäischer Gerichtshof in Luxemburg EuGH
Bild: picture-alliance/dpa

Die Anwältin der palästinensischen Hamas-Organisation, Liliane Glock, zeigte sich nach dem Urteil des Gerichts der Europäischen Union in Luxemburg zufrieden. "Jegliche negative Entscheidungen, die seit 2001 auch gegen den militärischen Arm erlassen worden sind, wurden aufgehoben. Das zeigt der ganzen Welt, dass die Hamas existiert und legal ist", sagte Anwältin Glock. Das Gericht schrieb in seiner Urteilsbegründung aber, es habe nicht über den Status der Hamas als Terrororganisation entschieden, sondern aus verfahrensrechtlichen und technischen Gründen die Aufnahme in die "Schwarze Liste" der Terrororganisationen aufgehoben. "Die materiell-rechtliche Beurteilung der Frage, ob die Hamas eine terroristische Vereinigung ist, blieb unberührt", schreiben die Richter. Das Gericht, das bei bestimmten Klagen die erste Instanz des Europäischen Gerichtshofs darstellt, kritisiert vor allem, dass die Europäische Union die Auflistung der Hamas als Terrorgruppe nicht ausreichend mit eigenen Erkenntnissen von EU-Behörden begründet habe. Sie beruhe, so das Gericht, "auf einer Zurechnung von Fakten, die der Presse und dem Internet" entnommen wurden.

Berufung gegen Hamas-Urteil möglich

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu reagierte in Jerusalem auf das Urteil aus Luxemburg mit der Forderung, die Hamas sofort wieder auf die Terrorliste zu setzen. "Denn jedermann weiß", so Netanjahu in einer Stellungnahme, "dass es sich bei der Hamas um eine mörderische Organisation handelt, die auf die Zerstörung Israels abzielt". Mit der Erklärung, es handele sich um ein "technisches" Urteil, wolle er sich nicht zufrieden geben, so Netanjahu. Die EU-Sanktionen gegen die Hamas, etwas das Einfrieren der Konten und Vermögen sowie das Betätigungsverbot in Europa, bleiben vorerst bestehen. Das Gericht hat dafür eine Frist von mindestens zwei Monaten und zehn Tagen gesetzt. In dieser Zeit könnte der Rat der Europäischen Union, also die Vertretung der Mitgliedsstaaten, beim Europäischen Gerichtshof Berufung gegen das Urteil des Gerichts einlegen.

Die Sprecherin der Außenbeauftragten der EU, Maja Kocijancic, sagte in Brüssel, die EU werde das Urteil jetzt genau unter die Lupe nehmen. "Wir respektieren das Urteil natürlich, weisen aber nochmals daraufhin, dass es hier um prozedurale Fragen geht. Es gibt keine politische Entscheidung, den Status der Hamas zu ändern. Wir bleiben, so viel kann ich sagen, bei den Regeln, die bislang im Vermittlerquartett im Nahen Osten galten." Demnach ist die Hamas nachwievor kein Verhandlungspartner bei eventuellen Friedensgesprächen. Offizielle Kontakte zu Hamas-Vertretern, die den Gaza-Streifen regieren, sind der EU untersagt. Finanzhilfen für die Palästinenser zahlt die EU nicht direkt an die Hamas-Verwaltung im Gaza-Streifen aus, sondern die Gelder fließen über Umwege. "Zu gegebener Zeit werden wir über die nächsten Schritte entscheiden", so die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten.

Palästinenser Gaza Militärparade von Hamas in Gaza City
Hamas-Militärparade im Gaza-Streifen (17.12.)Bild: Reuters/S. Salem

EU listet seit 2001 Terroristen

Auf der "Schwarzen Liste" der EU stehen neben der Hamas weitere 23 Organisationen, unter ihnen auch die Hisbollah, und eine Reihe von Einzelpersonen. Die Liste wird alle sechs Monate vom Ministerrat der EU einstimmig aktualisiert. Der militärische Arm der Hamas stand bereits auf der allerersten Liste, die nach den Anschlägen in den USA im Jahr 2001 geschrieben wurde. 2003 wurde auch der politische Arm der Hamas auf die Liste gesetzt. Schon in den vergangenen Jahren gab es Kritik an der Liste, die von einem geheim tagenden Ausschuss nach nicht näher bekannten Kriterien zusammengestellt wird. Immerhin gibt es ein Klagerecht gegen die Listung vor europäischen Gerichten.

Fragebogen Stift Papier
Schwarze Listen: EU straft TerrorverdächtigeBild: Fotolia/Dmitry Naumov

Die Gerichte haben bereits mehreren Klagen, hauptsächlich von Einzelpersonen, stattgegeben. Die harschen Sanktionen wurden aufgehoben. Erst im Oktober gelang es so der Separatisten-Gruppe "Tamil Tigers" aus Sri Lanka, aus der Liste gestrichten zu werden. Das Gericht in Luxemburg kritisierte in diesen Fällen wiederholt, dass die von Konto-Sperrungen betroffenen Personen kein ausreichendes rechtliches Gehör vor den entscheidenden Behörden gefunden hätten. Der ehemalige Sonderermittler des Europarates, Dick Marty, nannte die "Schwarzen Listen" schon 2007 höchst ungerecht. Wer ohne Schuld auf diese rechtstaatlich fragwürdigen Listen gerate, erhalte "ein finanzielles Todesurteil", so Marty.

Die USA unterhalten eine viel umfangreichere Liste von Terrororganisationen und Terrorverdächtigen. Die sei, so kritisieren Menschenrechts-Anwälte in Europa, so geheim, dass selbst die Betroffenen nicht wüssten, dass sie auf diesen Listen stünden. Die Europäische Union nimmt auch auf Vorschlag der US-Behörden Personen oder Organisationen in ihre Liste auf. Auch diese Zusammenarbeit kritisierte Dick Marty.

Die Hamas, die schon in den 1990er Jahren zahlreiche Selbstmord-Attentate auf Israelis verübt hat, wird in den USA bereits seit 1998 als Terrororganisation angesehen. Im Sommer 2014 hatte die Hamas zuletzt durch massiven Raketenbeschuss Israels eine verheerende Bombardierung des Gaza-Streifens durch die israelische Armee ausgelöst. Norwegen, die Schweiz, Russland und die Türkei betrachten die Hamas nicht als terroristische Vereinigung. Die Schweiz pflegt sogar offizielle diplomatische Beziehungen mit der Palästinenser-Organisation. Norwegen hat bereits 2007 die palästinensische Regierung aus gemäßigter Fatah und radikaler Hamas offiziell anerkannt.