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Cameron wirbt und wirbt und wirbt

16. Februar 2016

Zwei Tage vor dem vermutlich entscheidenden EU-Gipfel versucht der britische Premier in einem letzten Kraftakt, Europaparlament und Kommission doch noch von seinen Forderungen nach EU-Reformen zu überzeugen.

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Der britischer Premierminister David Cameron und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am 16.02.2016 in Brüssel (Foto: Reuters/F. Lenoir)
Bild: Reuters/F. Lenoir

Die Verhandlungen um die von Großbritannien geforderten Reformen sind nach Einschätzung von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die heikelsten, die die Europäische Union jemals geführt hat. "Die EU war ganz klar noch nie in einer so dramatischen Lage wie in dieser Woche", sagte der SPD-Politiker nach einem Gespräch mit dem britischen Premierminister David Cameron in Brüssel (Foto).

Schulz: "Wir können nichts garantieren"

Schulz wollte Cameron keine Zusage geben, dass alle Wünsche aus London bei künftigen Gesetzesvorhaben erfüllt werden: "Das EU-Parlament tut sein Möglichstes, um den Vorstellungen entgegenzukommen, aber wir können nichts garantieren." Er könne lediglich zusagen, dass sich das Parlament umgehend mit der Änderung von EU-Gesetzen beschäftigen werde, sobald das Referendum in Großbritannien über den Verbleib des Königreichs in der EU abgehalten worden sei und die Kommission entsprechende Vorschläge mache. Das Parlament muss nach eigener Ansicht vor allem dann zustimmen, wenn es um die geplante "Notbremse" geht, mit der Großbritannien Sozialleistungen für neu zuziehende EU-Bürger für bis zu vier Jahre aussetzen will.

Cameron führt im EU-Parlament derzeit Gespräche mit Vertretern mehrerer Fraktionen, bevor er am Donnerstag beim EU-Gipfel versucht, seine Reformvorstellungen gegenüber den anderen 27 Staats- und Regierungschefs durchzusetzen. Der britische Premierminister will das Reformpaket nutzen, um damit beim Referendum für einen Verbleib seines Landes in der EU zu werben.

Im Laufe des Tages wird der Londoner Regierungschef auch noch Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dann - in Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen. Juncker selbst bekräftigte bei einer Anhörung im Europa-Parlament, er wolle Großbritannien unter allen Umständen in der EU halten: "Wir haben keinen Plan B, wir haben einen Plan A.". Großbritannien werde in der Europäischen Union als konstruktives und aktives Mitglied bleiben.

Kein Durchbruch bei Treffen mit Frankreichs Staatschef

Bei einer Zusammenkunft mit Frankreichs Staatschef François Hollande am Montagabend in Paris konnte Cameron keinen Durchbruch bei seinen Forderungen für einen Verbleib Großbritanniens in der EU erzielen. Nach einem Treffen der beiden Politiker verlautete aus dem Umfeld Hollandes, Paris wünsche eine Einigung, um einen "Brexit" zu verhindern. Es bleibe aber noch "Arbeit, vor allem zur wirtschaftlichen Steuerung".

Ein Sprecher Camerons erklärte in London, die beiden Politiker seien gemeinsam der Überzeugung, "dass der vom Europäischen Rat präsentierte Entwurf eine solide Basis für eine Einigung beim Gipfel dieser Woche" sei. Hollande hatte kürzlich gesagt, beim EU-Gipfel dürfe es keine "neuen Anpassungen" und keine "neuen Verhandlungen" geben. Insbesondere sei kein Veto gegen Entscheidungen von Ländern der Eurozone durch Nicht-Euromitglieder wie Großbritannien möglich.

Tusk: Zukunft der Europäischen Union steht auf dem Spiel

Der von EU-Ratschef Donald Tusk vorgelegte Kompromissvorschlag sieht vor, dass London für EU-Bürger, die in Großbritannien arbeiten und Steuern zahlen, Sozialleistungen einschränken kann. Es soll außerdem ein "Mechanismus" geschaffen werden, der die Rechte von Nicht-Euro-Staaten schützt, aber gleichzeitig verhindert, dass "wichtige Entscheidungen" der Eurozone verzögert oder verhindert werden.

EU-Ratspräsident Donald Tusk in Rumänien (Foto: Getty Images/AFP/A. Pungovschi)
EU-Ratspräsident Donald Tusk in RumänienBild: Getty Images/AFP/A. Pungovschi

Tusk warnte am Montag vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union, sollte es zum Austritt Großbritanniens kommen. Das Risiko sei "real", sagte Tusk bei einem Besuch in Rumänien. "Was einmal zerbrochen ist, kann nicht mehr repariert werden." Die Zukunft der EU stehe auf dem Spiel, aber es werde "keinen Kompromiss zu den Freiheiten und den fundamentalen Werten" geben.

Cameron will vermutlich noch in diesem Jahr in einem Volksentscheid über den Verbleib seines Landes in der EU durchführen. Das Datum könnte er bereits am Freitag nach dem EU-Gipfel ankündigen, falls es dort eine Einigung gebe, berichtete die britische Zeitung "Daily Telegraph". In Umfragen liegen EU-Anhänger und "Brexit"-Befürworter in Großbritannien derzeit Kopf an Kopf.

McAllister: Nordirland-Konflikt könnte wiederaufflammen

Der CDU-Europaparlamentarier David McAllister äußerte unterdessen die Befürchtung, dass im Falle eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU der Nordirland-Konflikt wiederaufflammen könnte. Die denkbaren Auswirkungen eines "Brexit" auf Nordirland sollte man nicht unterschätzen, sagte der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland und die Republik Irland seien gemeinsam unter dem Dach der EU. "Die Vorstellung einer EU-Außengrenze dort beunruhigt beide Seiten."

Niedersachsens Ex-Ministerpräsident David McAllister (Foto: picture-alliance/dpa/M. Gambarini)
Niedersachsens Ex-Ministerpräsident David McAllisterBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Im Nordirland-Konflikt kämpften pro-irische Katholiken unter der Führung der Untergrundorganisation IRA gegen protestantische, pro-britische Loyalisten. Im Kern ging es darum, ob der zu Großbritannien gehörende Nordteil Irlands wieder mit der Republik im Süden vereinigt werden soll. Er war nach dem Bürgerkrieg von 1921 und dem Rückzug der Briten aus dem Süden britisch geblieben. Die IRA und auch die protestantischen Untergrundorganisationen haben heute weitgehend die Waffen niedergelegt.

sti/se (afp, dpa)