EU plant strengere Aufsicht der Finanzmärkte
19. Juni 2009Ein "Europäischer Rat für Systemrisiken" soll in Zukunft frühzeitig warnen und unverbindliche Empfehlungen aussprechen, wenn Banken so große Probleme haben, dass sie auch andere Institute gefährden könnten.
Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank EZB, wird in der Anfangsphase den Vorsitz dieses Rates übernehmen. Großbritannien, das nicht zum Euro-Raum gehört, konnte aber durchsetzen, dass jedes Mitgliedsland der EU einen Kandidaten für den Vorsitz nominieren kann. Gewählt wird der Chef des Risiko-Rates von den Zentralbankchefs der EU-Länder.
Neue EU-Behörden
Zudem sollen drei schon bestehende, aber mit wenigen Befugnissen ausgestattete EU-Aufsichtsgremien zu Behörden aufgewertet werden. Sie sind zuständig für den Bankensektor, Versicherungen und Wertpapiere. Sie sollen dafür sorgen, dass nationale Behörden in Zukunft besser zusammen arbeiten und gemeinsam ein "Europäisches System für Finanzaufsicht" bilden.
Die neue EU-Finanzaufsicht soll "bindende und angemessene" Befugnisse haben, heißt es in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels. Als "letzter Ausweg" kann sie auch eine "verbindliche Entscheidung" treffen, wenn sich nationale Behörden in Konfliktfällen nicht einigen können.
Zugeständnis an Großbritannien
Allerdings dürfen Entscheidungen der EU-Aufsicht keine Folgen auf die nationalen Haushalte haben. So kann die Behörde kein Land zwingen, eine angeschlagene Bank mit Steuergeldern zu retten. Auch diese Einschränkung ist ein Zugeständnis an den britischen Premierminister Gordon Brown. Er hatte sich mehrfach gegen eine zu starke Rolle der EZB und anderer EU-Instanzen ausgesprochen. London ist Europas wichtigster Finanzplatz, und die britische Regierung will diesen Markt möglichst selbst kontrollieren. Brown, der im euroskeptischen Großbritannien um sein politisches Überleben kämpft, zeigte sich am Ende des Treffens erfreut. Keine EU-Instanz habe Zugriff auf das Geld der britischen Steuerzahler, so Brown.
Der französische Staatspräsident zeigte sich dagegen stolz, dass Großbritannien bewegt werden konnte, den Reformplänen im wesentlichen zuzustimmen. "Es ist eine komplette Kehrtwende in der angelsächsischen Herangehensweise", so Sarkozy.
Obamas Reformpläne
Erst am Mittwoch hatte US-Präsident Barack Obama Pläne für eine weitreichende Reform des US-Finanzsektors vorgestellt. "Wir wollen Märkte wiederherstellen, die verantwortungsbewusstes Handeln belohnen und nicht Gier und Rücksichtslosigkeit", so Obama. "Es gab viel zu viele Schulden und bei weitem nicht genug Kapital. Es gab ein Versagen des gesamten Systems."
Im Zentrum der geplanten Neuregelung steht die US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Sie soll in Zukunft alle Großbanken und Finanzunternehmen, die im Falle eines Scheiterns ein Systemrisiko für die Branche darstellen, stärker beaufsichtigen. Dazu wird ihr ein "Rat für Finanzausicht" an die Seite gestellt, der noch zu gründen ist.
Zu den neuen Befugnissen der Finanzaufsicht gehört die Möglichkeit, große Finanzkonzerne im Notfall abzuwickeln, in Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium. Dies war bisher nicht möglich, es gab nur die Wahl zwischen staatlichen Rettungspaketen und der Insolvenz. Hinzu kommen "strengere und konservativere" Vorgaben für die Kapitalausstattung der Banken sowie deren Liquidität und Risikomanagement, heißt es in einem Weißbuch des US-Finanzministeriums.
Auch bisher in den USA kaum regulierte Bereiche, die für die Finanzkrise mitverantwortlich gemacht werden, sollen stärker beaufsichtigt werden. Dazu gehören Hedgefonds, Kreditderivate und andere Wertpapiere.
Kritik der Republikaner
Im US-Senat waren die Reformpläne von den oppositionellen Republikaner scharf kritisiert worden. Vor allem die Kompetenzausweitung der Notenbank Fed stieß auf Kritik. "Wir können nicht ernsthaft erwarten, dass die Fed - oder irgendeine andere Institution - so viele Aufgaben wahrnehmen kann", sagte Richard Selby, der führende Republikaner im Bankenausschuss des Senats am Donnerstag bei einer Anhörung von Finanzminister Timothy Geithner.
Obamas Finanzreform braucht die Zustimmung des Kongresses. Das Weiße Haus geht dennoch davon aus, dass die Reform bis Ende des Jahres in Kraft treten kann.
Die Reformpläne der EU sollen bis zum Herbst zu einem konkreten Gesetzesvorschlag werden, der dann von den EU-Staaten und dem Europaparlament beschlossen werden könnte.
Autor: Andreas Becker (rtr, dpa, afp)
Redaktion: Klaus Ulrich