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Kurswechsel

16. Oktober 2008

Die EU macht dem Regime von Aleksandr Lukaschenko Gesprächsangebote und kehrt damit von ihrer bisherigen Politik der Isolierung ab. Die Einreiseverbote für den Präsidenten und weitere Funktionäre wurden ausgesetzt.

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Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und der belarussische Außenminister Sergej Martynow in Luxemburg (13.10.2008)Bild: AP

Vor elf Jahren hatte die EU sämtliche Kontakte auf Ministerebene mit Belarus abgebrochen. Wegen Wahlbetrugs und Übergriffen auf die Opposition wurden rund 40 hochrangige Vertreter des Regimes mit einem Einreiseverbot in die EU belegt. Nun schlägt Brüssel versöhnlichere Töne an. Der Westen solle die belarussische Regierung nicht länger isolieren, erklärte der Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Alexander Stubb, bei seinem Treffen mit Präsident Aleksandr Lukaschenko in Minsk.

Am 13. Oktober beschlossen die EU-Außenminister in Luxemburg, die Einreiseverbote für Präsident Lukaschenko sowie 34 weitere Funktionäre für zunächst sechs Monate auszusetzen. Die finanziellen Sanktionen bleiben aber bestehen. So sind die Konten belarussischer Regierungsvertreter in Europa weiterhin gesperrt. Sechs Personen dürfen auch weiter nicht in die EU einreisen, da sie im Verdacht stehen, am Verschwinden von Menschenrechtsaktivisten beteiligt gewesen zu sein. Die Aussetzung der Reiseverbote soll in sechs Monaten überprüft werden.

Neue Wege gegenüber Minsk

Für diesen überraschenden Wechsel in der EU-Strategie gebe es eine einfache Erklärung, sagt der Vorsitzende der Vereinigten Bürgerpartei, Anatolij Lebedko: "Die EU scheint sich gegenüber Belarus hilflos zu fühlen. Seit Jahren setzt sie alle Hebel in Bewegung, auf Lukaschenko einzuwirken. Ohne sichtbaren Erfolg. Nun sucht die EU wohl nach neuen Mitteln, mit der Diktatur in Belarus umzugehen."

Lukaschenko seinerseits zeigte sich in jüngster Zeit zu einem Dialog mit Brüssel bereit. Sein Land dürfe nicht mehr isoliert werden. Sollte die EU ihre harte Haltung gegen ihn nicht lockern, werde sich Belarus andere Verbündete suchen, so Lukaschenko: "Es ist höchste Zeit, unsere Beziehungen zum Westen auf eine völlig andere Grundlage zu stellen. Wir sind zu einem vielseitigen Dialog bereit. Als Gegenleistung erwarten wir allerdings, dass unsere Souveränität aufrechterhalten bleibt und unser Recht, eigene Interessen zu verfolgen."

Opposition: Nur taktische Manöver

Die belarussische Opposition hält Lukaschenkos angebliche Öffnung gegenüber dem Westen für ein taktisches Manöver. Oppositionsführer Aleksandr Milinkewitsch erklärt: "Nirgendwo in Europa ist das Investitionsklima so schlecht wie in Belarus. Die einheimischen Waren sind nicht konkurrenzfähig und finden keine Absatzmärkte. Seit Russland unsere Wirtschaft nicht mehr durch günstige Öl- und Gaslieferungen subventioniert, geht es nur bergab. Unser Land ist nicht darauf vorbereitet, Weltmarktpreise für Energieträger zu bezahlen."

Deshalb sei Belarus auf die Unterstützung aus dem Westen angewiesen. Die EU könnte für Belarus zum wichtigsten Kooperationspartner werden, so Milinkewitsch: "Vieles hängt jetzt von Lukaschenko ab. Der Ball ist jetzt auf seiner Seite. Er muss dafür sorgen, dass entsprechende Reformen eingeleitet werden. Andernfalls sehe ich auf das Land noch härtere Zeiten zukommen."

Kritik an neuem Kurs der EU

Im März dieses Jahres hatten die EU-Außenminister der belarussischen Führung eine Lockerung der Sanktionen in Aussicht gestellt, falls die Parlamentswahlen demokratisch verlaufen würden. Doch bei der Abstimmung am 28. September wurde kein einziger Oppositionskandidat ins Parlament gewählt. Wahlbeobachter bemängelten Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung.

Aus diesem Grund sollte sich die EU auf keinen Dialog mit dem Lukaschenko-Regime einlassen, sagt Europa-Abgeordnete Elisabeth Schrödter von den Grünen: "Wir können doch nicht den roten Teppich vor einer Regierung ausrollen, die nicht dazu bereit ist, demokratische Wahlen abzuhalten. Lukaschenko hat uns noch im Sommer versprochen, faire Wahlen abzuhalten. Und was hat er gemacht? Er hat sein Versprechen gebrochen."

Nichtsdestotrotz sollte die EU keine Isolationspolitik gegenüber Belarus betreiben, so die Europa-Abgeordnete. Es gebe eine ganze Fülle von Möglichkeiten, Belarus zu einer unabhängigen Demokratie zu verhelfen: "In Belarus gibt es großes demokratisches Potential, vor allem unter jungen Oppositionellen, die bereit sind, einen anderen Weg einzuschlagen. Warum setzen wir nicht auf sie? Jetzt wäre zu überlegen, wie wir diesen Menschen Machtinstrumente zurückgeben können, damit sie das Land demokratisieren können."

Olja Melnik