EU-Verfahren gegen Deutschland eingeleitet
21. September 2022Deutschland habe nicht fristgerecht mitgeteilt, wie die seit dem 2. August geltende Richtlinie zur sogenannten Work-Life-Balance auf nationaler Ebene umgesetzt wird, erklärte die EU-Kommission. Sie werde ein Aufforderungsschreiben an Deutschland schicken, hieß es. Damit leitete die Kommission ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren ein.
Das Ziel der neuen Richtlinie ist die Gleichstellung der Geschlechter bei der Arbeitsmarktbeteiligung. Dafür sollen Betreuungsaufgaben gerechter verteilt werden. Die neuen Regeln sehen unter anderem vor, dass Väter oder das zweite Elternteil einen bezahlten Urlaub von mindestens zehn Tagen nach der Geburt eines Kindes bekommen. In Deutschland wurde diese Vorgabe nicht umgesetzt.
Familienministerium verweist auf weitergehende Regeln
Dabei hat sich die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag dazu bekannt. Anfang August hieß es jedoch aus dem Familienministerium, dass sich die Bundesregierung eine Ausnahme ausgehandelt habe. Die bereits bestehenden Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland gingen teils weit über die neuen EU-Regeln hinaus, hieß es.
So schreiben die EU-Regeln etwa vor, dass jedes Elternteil bis zu vier Monate Elternzeit bekommen soll, von denen mindestens zwei bezahlt werden müssen. Deutschland ist hier großzügiger: Arbeitnehmer können bis zu drei Jahre Elternzeit nehmen. Teilen sich beide Eltern die Zeit, können bis zu 14 Monate davon bezahlt werden.
Erleichterungen für pflegende Angehörige
Die Richtlinie zur Work-Life-Balance zielt außerdem auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Angehörige pflegen. Sie erhalten Anspruch auf fünf Urlaubstage pro Jahr. Erwerbstätige Eltern von Kindern bis acht Jahren und alle pflegenden Angehörigen erhalten zusätzlich das Recht, flexible Arbeitsregelungen zu beantragen.
Neben Deutschland haben 18 weitere EU-Mitgliedstaaten von der Kommission ein Schreiben zu dem Thema erhalten. Die betroffenen Länder haben nun zwei Monate Zeit, um auf die Aufforderungsschreiben zu antworten. Die Kommission kann dann entscheiden, ob sie weitere Schritte unternimmt. Am Ende des Verfahrens könnte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof stehen.
ww/cw (afp, dpa, epd)