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EU fällt keine Personalentscheidungen

Bernd Riegert17. Juli 2014

Ein schräger Chor, ungelöste Personalfragen und verschärfte Sanktionen gegen Russland: Das etwas magere Ergebnis des EU-Gipfels macht eine Wiederholung in sechs Wochen nötig.

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Symbolbild EU Gipfel (Foto: dpa)
Die Spitzenposten sind weiter zu haben: Keine Entscheidung in der EUBild: picture-alliance/dpa

Um halb zwei Uhr morgens nach einem langen EU-Gipfel fiel das Geburtagsständchen im deutschen Pressesaal in Brüssel etwas dünn aus. "Ich hätte mitsingen müssen, dann wäre es besser geworden", sagte Angela Merkel lachend den schräg singenden Journalisten. Die Bundeskanzlerin wurde in der Gipfelnacht 60 Jahre alt. "Aber Danke! Es war der erste Gesang zu meinem heutigen Geburtstag. Der Rat hat nicht gesungen, aber er hat Blumen überreicht und Sekt gereicht. War auch schön", sagte Merkel weiter. Viel mehr zu lachen gab es beim Gipfel nicht, denn er blieb in Personalfragen ohne Ergebnis. "Wir haben keine Entscheidungen treffen können und werden uns deshalb wieder am 30. August zu einem Gipfel versammeln", kündigte der scheidende Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy mit säuerlichem Gesicht an. Noch geprägt von den Eindrücken der Fußball-Weltmeisterschaft meinten einige EU-Diplomaten, der Gipfel gehe in die Verlängerung. "Nachspielzeit für die EU", sagte einer.

Merkel Europäischer Rat (Foto: DW)
"Happy Birthday": Merkel lacht über das StändchenBild: DW/Bernd Riegert

Italien und Osteuropa finden keinen Kompromiss

Der Streit zwischen Italien und einigen osteuropäischen Staaten darüber, ob die italienische Außenministerin Federica Mogherini neuen Außenbeauftragte der EU werden soll oder nicht, war nicht zu lösen. Italiens sozalistischer Premier Matteo Renzi bestand auf seiner 41 Jahre alten Kandidatin, die erst seit Februar ihr Ministeramt bekleidet. Die Osteuropäer, allen voran die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite, kritisierten Mogherinis mangelnde Erfahrung und ihre angeblich zu große Nähe zu Russland. In der Folge konnten auch weitere Personalfragen nicht entschieden werden.

Zu vergeben ist auch die Präsidentschaft im Rat, also der Versammlung der EU-Staats- und Regierungschefs. "Man muss jetzt gucken, das ist meine tiefe Überzeugung, wer für den Ratspräsidenten am besten geeignet ist, um uns 28 Regierungschefs irgendwie zusammenzuhalten", schlug Bundeskanzlerin Angela Merkel vor. "Da würde ich jetzt gar keine parteipolitische Präferenz machen, sondern mal fragen, wie geht das zusammen? Alle diese Fragen konnten heute Abend zum ersten Mal erörtert werden, aber es wird sich alles zu einem guten Ergebnis fügen." Es sei ja in der Politik so, dass man erst dann entscheide, wenn es zeitlich wirklich nötig sei, fügte Merkel hinzu. Im September soll das neue Spitzenpersonal im EU-Parlament angehört werden. Das Parlament muss die gesamte EU-Kommission billigen, die dann im November ihr Amt antreten soll.

Merkel beim Europäischen Rat (Foto: DW)
Vorbei mit lustig: Bei Personalfragen herrscht StillstandBild: DW/Bernd Riegert

Juncker soll es richten

Der frisch gewählte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus Luxemburg wurde beauftragt, bis Ende August seine Mannschaft mit weiteren 27 Kommissaren aus den Mitgliedsstaaten zusammenzustellen. Juncker bat um die Nominierung von mehreren Kandidaten pro Land zur Auswahl, darunter möglichst viele Frauen. Wie Juncker dieses Rätsel lösen soll, ohne dass er weiß, wer Außenbeauftragte wird, ist unklar. Die oder der Außenbeauftragte ist gleichzeitig Vizepräsident der EU-Kommission. Juncker muss nun einen Interessenausgleich zwischen großen und kleinen Staaten, Norden und Süden, sortiert nach Parteien und Geschlechtern finden.

Neue Sanktionen gegen Russland wegen Ukraine-Krise

Außenpolitisch waren die EU-Staats- und Regierungschefs entscheidungsfreudiger. Sie weiteten die Sanktionen in der Ukraine-Krise gegen Russland weiter aus. Künftig sollen auch Firmen bestraft werden, die die prorussischen Separatisten in der Ost-Ukraine finanzieren oder beliefern. Firmen, die russische Entscheidungsträger finanzieren oder beliefern, die für die Abspaltung der Krim oder die Aufstände in der Ost-Ukraine verantwortlich sind, sollten ebenfalls mit Sanktionen belegt werden können, heißt es im Gipfel-Beschluss. Russland soll keine weiteren Kredite von europäischen Finanzinstitutionen erhalten. Die EU-Kommission soll finanzielle Hilfen für Projekte mit Russland einfrieren. EU-Diplomaten sagten, es gehe nicht um harte Wirtschaftssanktionen oder ein Embargo gegen ganze Wirtschaftszweige in Russland. Trotzdem seien die Strafmaßnahmen für anvisierte Unternehmen eine entscheidende Verschärfung, meinte Bundeskanzlerin Merkel.

Symbolbild EU und Russland
Eiszeit zwischen der EU und RusslandBild: picture alliance/chromorange

"Russland tut nicht genug"

Die Schuld an der Eskalation wies sie Russland zu. Ultimaten, die der letzte EU-Gipfel zusammen mit dem ukranischen Präsidenten Petro Poroschenko verhängt habe, seien von Russland missachtet worden. "Es ist bedauerlich, dass wir solche substanziellen Maßnahmen gegenüber Russland ergreifen müssen. Aber wir müssen einfach sagen, mit Blick auf den Besuch von Präsident Poroschenko und seine Erwartungen an seinen einseitigen Waffenstillstand, ist leider viel zu wenig passiert." Russland beteilige sich nicht aktiv an Verhandlungen über einen Friedensplan, es gebe keine Grenzkontrollen zur Ost-Ukraine, Geiseln seien nicht freigelassen worden und die Kontaktgruppe sei bis heute nicht zusammengetreten, beklagte die Bundeskanzlerin.

Die EU-Kommission soll bis Ende Juli eine Liste mit möglichen Firmen und Personen zusammenstellen, deren Konten und Geschäftsbeziehungen mit Europa eingefroren werden könnten. Der russische Präsident Wladimir Putin reagierte nach Agenturberichten umgehend. Er sagte, die neuen Sanktionen würden ernste Auswirkungen auf das Verhältnis zur EU haben. Die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung der Ukraine-Krise sollten aber weitergehen, kündigte Bundeskanzlerin Merkel in Brüssel an.