Zusagen gemacht, Gesicht gewahrt
9. April 2019Die Erwartungen an das jährliche Routinetreffen zwischen den Spitzenpolitikern der EU und Chinas Premierminister Li Keqian waren bewusst tief gehängt. Die Gemeinsamkeiten würden kaum für die Verabschiedung eines Abschlusscommuniqués reichen, hieß es bei der EU; man werde voraussichtlich ohne greifbaren Fortschritt auseinander gehen. Aber die chinesische Delegation kam mit neuen Zusagen nach Brüssel, und sie reichten immerhin zur Wahrung des Gesichtes auf beiden Seiten. Der befürchtete diplomatische Affront blieb aus.
Eine Zukunft für die Partnerschaft EU-China?
"Die Verhandlungen waren schwierig, aber am Ende fruchtbar", fasste EU-Ratspräsident Donald Tusk zusammen. Eine Partnerschaft müsse immer auf Gegenseitigkeit beruhen, mahnte er den chinesischen Gast. In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation hätten die EU und China doch ein großes Interesse am Funktionieren eines regelbasierten Handelssystems.
Das ist eine offene Anspielung auf den Handelskrieg zwischen den USA und China, und auf die erneuten Drohungen aus Washington gegenüber den Europäern. Die unerwartete Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, er wolle Zölle im Wert von elf Milliarden Dollar auf EU-Exportgüter erheben, um Subventionen für den europäischen Airbus-Konzern auszugleichen, überschattete auch das Treffen zwischen Le Keqiang und den Führern der europäischen Union in Brüssel.
Für beide stellte sich die Frage, welches strategische Interesse hier stärker sei: eine Art Partnerschaft angesichts des Drucks aus Washington zu bewahren, oder nur eigene Interessen durchzusetzen. Immerhin ist die EU der größte Handelspartner für China; umgekehrt steht Peking für die Europäer auf Platz 2. In dieser Situation zeigte die chinesische Seite, dass man nicht mit allen internationalen Partnern gleichzeitig Streit haben will.
Chinesische Gastgeschenke
"Es ist ein Durchbruch. Zum ersten Mal hat China zugestimmt, an einer Reform der WTO mitzuarbeiten", freut sich EU-Verhandlungsführer Donald Tusk: eine Reform, die die Stärkung eines regel-basiertes Handelssystems zum Ziel habe und die auf der Gleichbehandlung der Partner basiere.
Premier Li Keqiang vollzog in diesem Zusammenhang eine Art strategischer Wende. Er versprach, dass "europäische Unternehmen gleich behandelt" werden sollten. Der Vorwurf des erzwungenen Technologietransfers vergiftet seit langem die Beziehungen: Westliche Firmen werden gezwungen, technologisches Wissen an chinesische Joint-Venture-Partner weiter zu geben, die es dann nutzen, um sie mit Nachahmerprodukten auf dem internationalen Markt zu unterbieten. Der Premierminister sagte hier einen Schlichtungsmechanismus zu, der sich mit den Klagen ausländischer Unternehmen in China befassen würde.
Es gab darüber hinaus Zugeständnisse über einen Dialog bei Staatshilfen für chinesische Unternehmen mit dem Ziel, "die internationalen Regeln für Beihilfen zu stärken", das heißt, China zur Einhaltung eines "level playing field" im Umgang mit der EU zu drängen.
Inwieweit sich diese Zusagen für europäische Unternehmen praktisch auswirken, muss erst noch getestet werden. China lässt seinen Ankündigungen nicht immer Taten folgen, wie zuletzt 2017, als Präsident Xi Jinping beim Weltwirtschaftsforum in Davos eine weitgehende Zusage zur Marktöffnung gemacht hatte, die danach nicht umgesetzt wurde.
Demgegenüber betonte Premier Li Keqiang in Brüssel: "Wir müssen liefern, was wir versprechen." Beide Seiten würden die Arbeit verstärken, um Lösungen zu finden, die eine Reihe von Schlüssel-Hindernissen abbauen könnten.
Das Ende der Naivität bei der EU
Im März hatte die EU in einem Grundsatzpapier ihre Haltung zu China überprüft und einen deutlich härteren Standpunkt eingenommen. In einigen Bereichen sei China ein Partner, in anderen dagegen ein systemrelevanter Rivale und ein wirtschaftlicher Konkurrent. Der französische Präsident Macron hatte bei einem Treffen mit Präsident Xi vor kurzem in Paris von einem "Ende der Naivität" gegenüber China gesprochen. Das Treffen in Brüssel war die erste Zusammenkunft nach der Verschärfung der Grundsatzpositionen.
Es geht der EU um eine realistischere Einschätzung der Zusammenarbeit mit China und den Versuch, ein Ende der Ungleichbehandlung zu erreichen. Insofern betrachtet die EU das Ergebnis des Gipfeltreffens mit dem chinesischen Premier als ersten Erfolg, wenn auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach seinem Abschluss warnte, Partnerschaft sei zwar wichtiger als je zuvor, man müsse aber "ehrlich miteinander sein".