Es ist kompliziert
7. September 2016Die Deutschland-Reise an diesem Donnerstag ist wichtig für Eritreas Regierung. Gleich zwei Minister und der einflussreiche Präsidentenberater Yemane Gebreab gehören der Delegation an - so der aktuelle Stand. Sie nehmen an einem Wirtschaftsforum und einer Podiumsdiskussion teil. Auch ein Treffen mit Abgeordneten ist wohl geplant.
"Der Besuch ist Ergebnis der politischen Gespräche der BMZ-Delegation mit Bundesminister Müller an der Spitze im Dezember 2015 in Asmara", teilt eine Sprecherin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf DW-Anfrage mit.
Deutschland-Eritrea-Dialog: War da mal was? Seit Jahren ist der Staat am Horn von Afrika politisch isoliert. 2007 stellte Deutschland die Entwicklungshilfe für den einstigen Hoffnungsträger am Horn von Afrika ein, der sich Anfang der 1990er Jahre nach einem dreißigjährigen Unabhängigkeitskrieg von Äthiopien losgesagt hatte. Die Vereinten Nationen werfen der Regierung schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vor: Versklavung, Folter, Vergewaltigung und Mord. "Eritrea ist ein autoritärer Staat. Es gibt keine unabhängige Justiz, keine Nationalversammlung und keine demokratischen Institutionen", kritisierte Mike Smith, Vorsitzender einer UN-Untersuchungskommission, im Juni.
Menschenrechte oder Migrationsbekämpfung?
Trotzdem: Deutschland sucht einen Draht nach Asmara. Im Dezember 2015 vereinbarte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) während eines Eritrea-Besuches einen Dialog beider Länder. Die eritreische Regierung müsse die Menschenrechtslage verbessern und politische Reformen einleiten, sagte Müller damals. "Wir können Eritrea unterstützen, den Exodus der Jugend zu stoppen, indem wir die Lebenssituation der Menschen vor Ort verbessern", versprach der Minister im Gegenzug.
Denn die Folgen der Massenflucht bekommt auch Deutschland zu spüren: 25.000 Eritreer beantragten allein im letzten Jahr in Deutschland Asyl. 200.000 harren zur Zeit in den Nachbarländern Sudan und Äthiopien aus. Viele fliehen vor dem berüchtigten "National Service", den alle Eritreer leisten müssen. Offiziell ein Militärdienst, laut Menschenrechtsorganisationen aber faktisch oft jahrelange Zwangsarbeit in Staatsbetrieben.
"Wir müssen jetzt sehr stark aufpassen, dass durch die Gespräche zwischen der deutschen und der eritreischen Regierung nicht Ergebnisse erzielt werden, die nur die Flucht nach Europa verhindern sollen, aber an der Menschenrechtslage in Eritrea nichts ändern", warnt die grüne Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche im DW-Gespräch. Die Bundesregierung müsse sich eindeutig verhalten, sagt die Abgeordnete. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Ostafrikanischen Parlamentariergruppe.
"Wichtig ist, dass es die eritreische Regierung zulässt, dass die Situation der Menschenrechte vor Ort untersucht werden kann, bevor auf Regierungsebene miteinander gesprochen werden kann", so Schulz-Asche. Bisher lässt Eritrea keine Menschenrechtsbeobachter ins Land. Die Vereinten Nationen stützen deshalb ihren letzten Bericht auf - nicht immer wahrheitsgemäße - Aussagen von Eritreern im Ausland.
"Diese Haltung ist naiv"
Experten fürchten aber, dass genau die Frage nach Menschenrechten im aktuellen Dialog zwischen Europa und Eritrea untergehen könnte. "Es besteht von europäischer Seite die Hoffnung, wenn man ein bisschen Geld ins Land gibt, dann werden die Menschen nicht mehr längere Zeit im Militärdienst gehalten und werden nicht mehr fliehen. Das ist schlicht naiv", warnt die Eritrea-Expertin Nicole Hirt vom GIGA-Institut im DW-Interview. "Ich sehe keine Motivation von eritreischer Seite, diese Politik zu ändern. Meiner Meinung nach sollte Europa mehr Druck ausüben, bevor Gelder fließen."
Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Bereits im Mai und Juni berichteten verschiedene Medien, dass die EU mit acht afrikanischen Ländern beim Grenzschutz stärker zusammenarbeiten will. Eritrea soll auch darunter sein. Dazu sollen über drei Jahre 40 Millionen Euro aus Brüssel fließen. Die von Geberseite im Gegenzug geforderte Begrenzung des nationalen Arbeitsdienstes ist dagegen weiter kein Thema in Eritrea. Und die neuerlichen Spannungen an der Grenze zum Erzfeind Äthiopien lassen befürchten, dass Asmara seine Politik der Zwangsrekrutierung nicht so schnell aufgeben wird - und dass damit auch der Exodus junger Eritreer nach Europa auf absehbare Zeit anhalten wird.