Schloss und Nachtigall
Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich in Sachsen-Anhalt, das seit dem Jahr 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, lockt mit einer Attraktion: Auf der Fläche von insgesamt 142 Quadratkilometern brüten alljährlich rund 440 Nachtigallen-Paare. Das ist ein Spitzenplatz in Europa. "Wer den einmaligen Gesang von Nachtigallen genießen will, muss im Frühjahr zu uns kommen", erklärt Guido Puhlmann, Leiter des Biosphärenreservats Mittelelbe, zu dem das Gartenreich zählt.
Partnerwahl und Reviermarkung
Die Nachtigallen, die nördlich des Äquators in Afrika überwintern, werden in der zweiten Aprilhälfte in Deutschland erwartet, wie der Experte weiter berichtet. Vor allem zur Partnerwahl und zur Reviermarkung lässt das Männchen seinen abwechslungsreichen, voll klingenden Gesang ertönen. "Balzen ist die Triebkraft der Welt", kommentiert Puhlmann. Das Brutgeschäft indes sei Sache der Weibchen.
Bundesweit gibt es wissenschaftlichen Schätzungen zufolge 95.000 Paare der scheuen Brutvögel. Ein singendes Männchen pro Quadratkilometer gelte als optimaler Bestand. Im Mai vergangenen Jahres (2006) wurden im Dessau-Wörlitzer Gartenreich sogar 3,1 Männchen pro Quadratkilometer gezählt. "Das ist auch ein Indikator dafür, dass es der Natur hier sehr gut geht", erklärt Puhlmann.
Gesamtkunstwerk in den Elbauen
Das Gartenreich wurde im 18. Jahrhundert von Fürst Leopold III, Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, geschaffen und entwickelte sich unter seiner Regierung zu einem Zentrum der Aufklärung in Deutschland. Die Parkanlagen um die Schlösser in Wörlitz, Oranienbaum, Luisium, Mosigkau und Großkühnau sind eingebettet in eine bewusst gestaltete Kulturlandschaft, die auf besondere Weise Mensch, Natur und Landschaft harmonisch miteinander verbindet. "Die natürlichen Gegebenheiten der Elbauen nutzend, entstand ein Gesamtkunstwerk, das Gartengestaltung und Architektur in bisher nie gekannter Harmonie vereinte", beschreibt die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz den Park. Die Architektur des Baumeisters Friedrich-Wilhelm von Erdmannsdorf präge das Bild des Gartenreichs noch heute. Eingebunden ist das Gartenreich in das rund 125.000 Hektar große Biosphärenreservat "Mittelelbe" mit seiner einmaligen Flusslandschaft.
Komponisten wurden vom Gesang inspiriert
Die Mitarbeiter der Naturwacht des Biosphärenreservates bieten hier im Frühjahr Exkursionen für Liebhaber von Nachtigallen an. Der Gesang sei von April bis Anfang Juni während der Balz zu hören und zwar vorwiegend nachts. Und Guido Puhlmann berichtet, dass mittlerweile Verhaltensforscher beim Gesang von Nachtigallen bis zu 260 unterschiedliche Strophen nachweisen können. Der unverwechselbare flötende Gesang blieb nicht ohne Wirkung auf Komponisten: In dem Oratorium "Die Schöpfung" von Joseph Haydn wird der Nachtigall eine eigene Strophe gewidmet. Auch Ludwig van Beethoven, Igor Strawinsky und Johann Strauß ließen sich von ihrem Gesang inspirieren. (AP)