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Libyen Gaddafi Geheimdienste

6. September 2011

Westliche Geheimdienste sollen eng mit dem Regime Gaddafi zusammengearbeitet haben. Zwar sei der historische Kontext zu beachten, findet Daniel Scheschkewitz, fordert aber auch eine kritische Aufarbeitung der Ära.

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Geheimdienste arbeiten im Geheimen. Das liegt in der Natur der Sache, anders können sie nicht funktionieren. Doch es gehört zu den Merkmalen von politischen Systemwechseln, dass auch die dunklen Machenschaften von Diktaturen und ihren Repressionsorganen eines Tages aufgedeckt werden. Dabei kommen nicht selten Dinge zum Vorschein, die auch für demokratische Regierungen wenig schmeichelhaft sind. So sollen Großbritannien und die USA in den Jahren nach den Terroranschlägen des 11. Septembers die Zusammenarbeit mit dem libyschen Geheimdienst auf besonders infame Weise gesucht und unter brutaler Missachtung der Menschenrechte für die eigene Terrorismus-Abwehr genutzt haben. Nach internen Dokumenten, die der amerikanischen Menschrechtsorganisationen Human Rights Watch aus Tripolis zugespielt wurden, haben die Nachrichtendienste CIA und MI6 den libyschen Geheimdienst Terrorverdächtige foltern lassen.

Folter als Dienstleistung

Daniel Scheschkewitz (Foto: DW)
DW-Redakteur Daniel ScheschkewitzBild: DW

Was im amerikanischen Terrorgefängnis Guantanamo unterbleiben musste, weil es die Grenzen zur Folter allzu deutlich überschritt, wurde offenbar in die Folterkeller Gaddafis in Tripolis verlagert. So wurde das diktatorische Regime des Staatsterroristen Gaddafi gleichsam als Folteragentur eingesetzt. Im Gegenzug besorgte man dem libyschen Geheimdienst großzügig Informationen über Regimegegner und war sogar bei der Deportation von geflohenen Oppositionellen behilflich.

In den USA und Großbritannien löst dieses Verhalten der Regierungen Bush und Blair zu Recht Empörung aus. Darf man doch nicht vergessen, dass Gaddafis Regime 1988 ein amerikanisches Verkehrsflugzeug über der schottischen Ortschaft Lockerbie zum Absturz gebracht hatte und so für den Tod von 248 Menschen Verantwortung trägt. Ob auch andere Geheimdienste, wie der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND), eng mit den Libyern kooperiert haben, muss noch geprüft werden. Überraschen würde es nicht, galt Gaddafi doch in westlichen Kreisen seit seinem Verzicht auf Massenvernichtungswaffen im Jahr 2004 als quasi rehabilitiert.

Historischer Kontext der Zusammenarbeit

Von besonderer Brisanz ist der Fall des libyschen Islamisten und heutigen Militärkommandeurs der Rebellenarmee in Tripolis, Abdel Hakim Belhadsch. Er wurde offenbar auf Ersuchen des Gaddafi-Regimes mit Hilfe der USA aus Bangkok deportiert und den Schergen des Regimes ausgeliefert. Belhadsch verbrachte viele Jahre im berüchtigten Abu-Salim-Gefängnis.

Der historische Kontext dieser Zusammenarbeit darf bei aller Entrüstung nicht vergessen werden. Im Zuge der Anti-Terrorabwehr wurde nach 2001 nicht nur die Zusammenarbeit mit Libyen, sondern auch die mit Syrien verstärkt. Das Regime des heute ebenso diskreditierten Baschar-al-Assad lieferte den US-Geheimdiensten jahrelang gute Informationen über Islamisten und die Netzwerke der Al Kaida in der arabischen Welt.

Politik wird immer nur aus ihrem jeweiligen historischen Zusammenhang verständlich. Dennoch gibt es unverrückbare moralische Eckpfeiler, die in demokratischen Rechtsstaaten auch für die Arbeit der Geheimdienste gelten müssen. Dazu gehört die Beachtung des Folterverbots. Parlamentarische Kontrollgremien in Demokratien haben die Aufgabe, die Arbeit ihrer Geheimdienste zu überwachen. Das ist im Falle Libyens offenbar versäumt worden. Der Respekt vor den Opfern politischer Willkürherrschaft gebietet es, dass diese Ära in den Beziehungen des Westens zu Libyen nun noch einmal kritisch aufgerollt wird.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Andrea Lueg