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Fahrplan in die digitale Zukunft

Kay-Alexander Scholz18. August 2014

Das Internet ist in der deutschen Politik bislang eher noch ein Randthema. Eine "Digitale Agenda" soll das ändern. Schnelle Erfolge sind allerdings nicht zu erwarten. Dafür ist noch zu viel zu tun.

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Symbolbild Digitale Agenda - Foto: Julian Stratenschulte (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bundesregierung hat sich für einen dreispurigen Weg entschieden, um die Mammut-Aufgabe digitale Revolution politisch zu steuern. Erste Spur: Die Zuständigkeit für das Querschnittthema Internet ist auf drei Ministerien - Wirtschaft, Infrastruktur und Inneres - verteilt. Zweite Spur: In der Legislative wurde ein Bundestagsausschuss "Internet und Digitales" eingesetzt. Von dort aus sollen die Netzpolitiker unter den Abgeordneten Impulse in andere Ausschüsse geben. Die dritte Spur ist die "Digitale Agenda", die das Kabinett am 20. August verabschieden will.

Die Kanzlerin stufte die Digitale Agenda im Vorfeld als "Antwort auf eine tiefgreifende technologische Reform" ein und beschrieb sie als "eine zentrale Aufgabe für Deutschland". Bundesinnenminister Thomas de Maizière nahm in der "FAZ" in einem ganzseitigen Artikel schon vor der Veröffentlichung dazu Stellung. Ein Anliegen dabei: Ende Juli war bereits ein Entwurf der Agenda "geleakt" worden und sorgt seitdem für reichlich Kritik. De Maizière erinnert nun daran, dass der Entwurf noch kein fertiges Papier sei, sondern herausgelöst aus der üblichen Abstimmung unter den Ressorts. Dass der Anspruch an die Agenda hoch sei, betonte aber auch der Innenminister: Alle Ressorts sollen ihre Aktivitäten zu dem gesellschaftlichen Wandel mit der Agenda bündeln.

Abschied von der postnaiven Ära

Die Bundesregierung will einiges nachholen. In der vergangenen Legislaturperiode war das Internet eher nur ein Randthema. Zwar gab es eine Internet-Enquetekommission, die politische Herausforderungen durch die Digitalisierung herausarbeiten sollte. Aber sie fand, abgesehen vom lobbygetriebenen Leistungsschutzrecht für Verlage, kaum Gehör im Parlament oder in gesellschaftlichen Debatten. Nur wenige Politiker befassten sich mit den grundlegenden Herausforderungen durch das Internet. Andere legten sich immerhin einen Twitter-Account zu, um so Netzkompetenz zu beweisen.

Im Juni 2013 begannen die Enthüllungen des US-Whistleblowers Edward Snowden. Nun beherrschten die negativen Seiten des Internets, wie Massenüberwachung und Cyberwar, die Schlagzeilen. Dass die Kanzlerin damals noch immer vom "Neuland Internet" sprach, verdeutlichte noch einmal den Nachholbedarf. Doch die Snowden-Affäre hatte politische Konsequenzen: Im März 2014 wurde ein eigener Untersuchungsausschuss zu den Internet-Aktivitäten der NSA und anderer Geheimdienste eingesetzt. Das Internet wurde zu einem brisanten Politikum. Der CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek hat jüngst vom Beginn der "Postnaiven Ära" gesprochen. Und de Maizière sieht die Bundesregierung "auf dem Weg zu einer aufgeklärten Position im Hinblick auf die Digitalisierung".

Sitzung des NSA- Untersuchungsausschusses am 03.07.2014 - Foto: Kay Nietfeld (dpa)
NSA-Untersuchungsausschuss: Bundestagsgremium ermittelt nach Snowden-EnthüllungenBild: picture-alliance/dpa

Schnelles Internet für alle

Die deutsche Wirtschaft ist auf dem Weg in die digitale Zukunft schon eine Wegstrecke weiter als die Politik. Die Hightech-Branche hat sich, ganz ohne Digitale Agenda, zu einem mächtigen Wirtschaftszweig entwickelt. Sie ist nach dem Maschinenbau der inzwischen zweitgrößte industrielle Arbeitgeber in Deutschland. Doch für weiteres Wachstum brauche es nun dringend eine bessere Kommunikationsinfrastruktur mit schnellem Internet für alle, wie Bitkom-Präsident Dieter Kempf seit längerem fordert. Auch müssten Start-ups leichter an Kapital herankommen und Firmen besser vor Cyberkriminalität geschützt werden.

In dem Agenda-Entwurf wird deutlich, dass Merkels Regierung offensichtlich in Sachen Internet zunächst an die deutsche Wirtschaft denkt. Die ersten beiden der insgesamt sieben Kapitel sind mit "Digitale Infrastrukturen" und "Digitale Wirtschaft" überschrieben. Darin werden konkrete Maßnahmen und ein strategisches Ziel angekündigt: Netzausbau auf mindestens 50 Megabit pro Sekunde Datenübertragungskapazität bis zum Jahr 2018, Frequenzvergabe für mobiles Breitband, Gewährleistung der Netzneutralität, Abschaffung der Providerhaftung für öffentliche WLAN-Netze und Anpassung des Urheber- und Kartellrechts. Das sind Maßnahmen, die teils seit Jahren auf eine politische Umsetzung warten. Und: Deutschland soll - ganz unbescheiden - zum "digitalen Wachstumsland Nummer eins in Europa" werden, in dem ein neuer Gründergeist dafür sorgt, dass 15.000 Firmen jährlich aus der Taufe gehoben werden.

Kabelverlegung in Bensheim (Hessen) - Foto: Arne Dedert (dpa)
Kabelverlegung in Bensheim (Hessen): Schnelles Internet für alle bis 2018?Bild: picture-alliance/dpa

Höchste Priorität wird der Breitbandausbau haben. Die Kosten hierfür werden, so schätzt die Deutsche Telekom, im zweistelligen Milliardenbereich liegen. Schnelle Internetzugänge sind derzeit erst für rund die Hälfte der Haushalte verfügbar. Andere Länder sind da schon weiter und bieten schnellere Zugänge für mehr Haushalte an.

Snowden-Schock überwinden

Neben der Wirtschaftsförderung fokussiert die Agenda im Kapitel "Sicherheit, Schutz und Vertrauen für Gesellschaft und Wirtschaft" auf die Themen Datenschutz und Datensicherheit. Diese seien die "zentralen Querschnittthemen der Digitalisierung", heißt es. Der Snowden-Schock soll überwunden werden, indem Deutschland durch "vertrauenswürdige Hard- und Software" zum "Verschlüsselungs-Standort Nummer eins auf der Welt" wird. Doch der Weg, wie dieses strategische Ziel erreicht werden kann, ist nur vage beschrieben.

Immerhin ist in einem ersten Schritt eine "Meldepflicht für erhebliche IT-Sicherheitsvorfälle" vorgesehen, um einen Überblick über Cyber-Angriffe zu bekommen. Viele Firmen hatten das bislang abgelehnt, weil sie Imageschäden befürchten. Bisher ist die Angabe freiwillig. De Maizière kündigte nun an, dass "Erste IT-Sicherheitsgesetz" solle umgehend in die Ressortabstimmung gehen. Denn es brauche "Sicherheitsgurte für kritische Infrastrukturen" wie Gesundheit, Wasser und Energie.

Ein "offener Prozess"

Die anderen Kapitel der Agenda heißen: "Innovativer Staat", "Digitale Gesellschaft", "Bildung, Forschung und Kultur" und "Europäische und internationale Dimension der Digitalen Agenda". Der Inhalt liest sich zuvorderst als eine Bestandsaufnahme darüber, wie wichtig das Internet für alle Lebensbereiche geworden ist. Konkrete Maßnahmen, wie denVerzicht auf eine persönliche Unterschrift in Behörden oder ein "Freiwilliges Soziales Jahr Digital", gibt es nur wenige.

Dafür aber will die Agenda einen "offenen Prozess" anstoßen. Entsprechend sind vielfältige Gelegenheiten vorgesehen, um miteinander ins Gespräch zu kommen und Pläne zu entwerfen. Dazu soll es Arbeits- und Steuerungsgruppen, eine Netzallianz, einen Rat und eine Bund-Länder-Kommission geben. Als gemeinsames Dach für den Austausch zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft soll der bereits stattfindende jährliche IT-Gipfel dienen. De Maizière verteidigte die eher "zurückhaltende Herangehensweise" in der FAZ damit, dass die Agenda "Spiegel einer hochkomplexen gesellschaftlichen Debatte" sei, die noch nicht auf alles eine Antwort haben könne.