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Gerhard Richter in Australien

Julian Tompkin pr
15. Oktober 2017

Für Gerhard Richter selbst ist es eine Premiere. Zum ersten Mal zeigt ein australisches Museum eine große Retrospektive des Deutschen, der nach wie vor als der teuerste lebende Künstler weltweit gilt.

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Eine Frau betrachtet das Bild "Onkel Rudi" von Gerhard Richter
Bild: picture alliance/dpa/U. Deck

Gerhard Richter verreist nicht besonders gerne. Dennoch gibt es nur wenige Orte und Kunstmärkte, die der deutsche Maler noch nicht erobert hat. Umso erstaunlicher ist, dass Richter in seiner über sechzig Jahre andauernden Karriere nun erstmals eine Retrospektive in Australien eröffnet: ein bescheidener, aber strategisch wichtiger Kunstmarkt, an der Türschwelle zu Asien.

"Australien - das ist ziemlich faszinierend", bestätigt der Künstler, während er gemächlich durch sein Atelier in Hahnwald bei Köln schreitet.

Über fünf Jahre dauerten die Planungen zu "Gerhard Richter: The Life Of Images" in Brisbane - mit über 90 Werken des Künstlers aus weltweiten Sammlungen. Seit der Ausstellung in der Fondation Beyeler in Basel im Jahr 2014 ist es die erste bedeutende internationale Retrospektive der gesammelten Werke Richters. Die australische Premiere in der "Gallery of Modern Art" in Brisbane soll zudem an das Jahr 2011 anknüpfen, in dem Richter in der Londoner Tate Modern mit "Panorama" einen Triumph feierte. Die Ausstellung war später auch in Berlins Neuer Nationalgalerie und im Centre Pompidou in Paris zu sehen.

"Abstraktes Bild" (1986)
"Abstraktes Bild" (1986)Bild: picture-alliance/dpa/Andy Rain

2015 sorgte Richter dann international für Schlagzeilen, als sein "Abstraktes Bild" von 1986 in London für 34,4 Millionen Englische Pfund (damals um die 41 Millionen Euro) versteigert wurde. Richter aber winkt ab: "Was heißt das schon?", fragt er und gestikuliert in Richtung seiner unfertigen Arbeiten, die noch auf die letzten Pinselstriche warten. "Ich habe meine Arbeit, damit beschäftige ich mich. Diese Preise sind obszön. Nichts ist so viel [Geld] wert."

Richter und die deutschen Geschichte

Auch wenn Richter international an Bekanntheit gewonnen hat, symbolisiert sein Werdegang doch die Geschichte seines Heimatlandes Deutschlands.

Der Künstler wurde 1932 in Dresden geboren, etwa zehn Jahre bevor die Alliierten die Stadt bombardierten. Es war die Endphase eines katastrophalen Krieges, der vielen Familienmitgliedern Richters das Leben kostete, unter anderem seinem Onkel Rudi. Diesen verewigte Richter 1985 in einem gleichnamigen Ölgemälde, das von der Lidice Kollektion in Tschechien zur Ausstellung nach Brisbane reiste.

"Onkel Rudi" 1965
"Onkel Rudi" (1965)Bild: picture alliance/dpa/U. Deck

Inmitten des Schutts seiner Heimatstadt besuchte Richter die Akademie der Künste in Dresden - eine Zeit, die er als produktiv beschreibt, die ihn letztendlich aber auch bremste. "Ich habe viel über Methodik und Disziplin gelernt - die Disziplin hilft mir noch heute -, aber ich hatte wenig Freiheiten."

Trotz seiner frühen Erfolge in Ostdeutschland sehnte sich Richter danach, die Kunst jenseits der Schranken des Sozialistischen Realismus zu entdecken, was er insgeheim auch längst tat.

Auf einer Reise nach Westdeutschland zur Documenta II in Kassel im Jahr 1959 traf der 27-jährige Richter auf die Werke von Jackson Pollock und Lucio Fontana. Daraufhin plante er seine Flucht in den Westen, die ihm 1961 mit seiner ersten Frau Marianne Eufinger (bekannt als Ema) gelang, nur wenige Monate vor dem Bau der Berliner Mauer.

Wie wäre es wohl für ihn gelaufen, hätte er im Osten bleiben müssen? Er trinkt einen Schluck Kaffee und grübelt: "So weit wäre es nicht gekommen, ich war sehr entschlossen zu gehen, ich musste gehen", sagt er nachdrücklich. "Aber wer weiß das schon, vielleicht hätte ich auch im Osten überleben können. Aber ich habe das alles vor langer Zeit hinter mir gelassen."

Gerhard Richter in seinem Atelier
Gerhard Richter in seinem AtelierBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Richter ging an die Kunstakademie in Düsseldorf und verbrachte die nächsten Jahre damit, eine bahnbrechende neue Form des Malens zu entwickeln, so entstanden seine "Foto-Bilder".

"Ich habe oft an mir und meiner Arbeit gezweifelt"

Sein plötzlicher Wechsel vom Gestalterischen zum Abstrakten in den 1970ern traf die Kunstwelt unerwartet, brachte aber einige seiner bekanntesten Werke hervor, von denen manche in Australien zu sehen sind, unter anderem der "Birkenau"-Zyklus (2014). Auch einige Werke aus dem privaten Besitz Richters werden in Brisbane zu sehen sein.

Richters "Birkenau"-Zyklus hängt im Deutschen Bundestag
Richters "Birkenau"-Zyklus hängt im Deutschen BundestagBild: Getty Images/S. Gallup

"Ich war mir immer unsicher, habe oft an mir und meiner Arbeit gezweifelt", erklärt Richter in Hinblick auf seine Schwankungen zwischen visuellen Paradigmen. "Ich habe früh angefangen zu experimentieren, weil ich mir selbst beweisen wollte, zu was ich fähig bin."

Der Direktor des Kölner Kunstarchivs, Dietmar Elger, meint: "Sobald ein Stil gemeinhin akzeptiert wird, gibt er ihn plötzlich ohne Vorwarnung auf. Es gibt wenige Künstler, die nach vierzig oder fünfzig Jahren noch wichtige neue künstlerische Statements kreieren: Er ist eine große Ausnahme. Aber trotz seiner Schwankungen steht immer eine zentrale Idee hinter seiner Arbeit."

Vergleiche mit Warhol und Pollock

Auf Richters vielfältige Werke folgten unzählige Interpretationen seiner Arbeit und seiner ästhetischen Philosophie. Während seine frühen fotorealistischen Arbeiten oft mit Andy Warhol verglichen wurden, assoziierten Experten seine Landschaften mit der Flämischen Mode und seine abstrakten Kunstwerke mit Pollock.

Elger meint, dass Richter trotz seiner internationalen Ausstrahlung einer der wesentlichen deutschen Künstler ist. "Ich glaube, es ist immer noch relevant und wichtig, ihn als solchen zu deuten", erklärt er in Richters Kölner Atelier. "Ein Blick auf die letzten Jahre zeigt doch, dass seine Werke wichtig sind für die deutsche Geschichte. Das sind keine abstrakten Ideen – das ist alles sehr real, fast zu real."

Erste Retrospektive in Australien

"Gerhard Richter: The Life Of Images" ist für die Brisbane Gallery of Modern Art ein ambitioniertes Projekt, dem intensive und kostspielige Verhandlungen vorausgingen, sagt Direktor Chris Saines. "Man bekommt wirklich nur ein Mal, vielleicht zwei Mal in seiner Karriere die Möglichkeit, einen Künstler in Gerhard Richters Größenordnung auszustellen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist eine Ehre, seine Werke in Australien zu zeigen."

Die Ausstellung läuft bis zum 4. Februar in der Gallery Of Modern Art in Brisbane.