Ermittlungen unter Hochdruck
11. März 2017Bei dem Drahtzieher der Planungen für einen möglichen Anschlag auf ein großes Einkaufszentrum in Essen handelt es sich um ein Mitglied der salafistischen Szene in Oberhausen. Entsprechende Informationen lagen sowohl der "Bild"-Zeitung und dem WDR als auch der Deutschen Presse-Agentur vor. Demnach war der Mann vor einiger Zeit ins Kriegsgebiet der Terrormiliz "Islamischer Staat "(IS) nach Syrien ausgereist und den deutschen Sicherheitsbehörden bekannt.
Um einen Anschlag mehrerer Attentäter zu verhindern, ließ die Polizei das Essener Einkaufszentrum schließen. Die Hinweise auf das innerstädtische Einkaufszentrum "Limbecker Platz" und die Tatzeit Samstag seien sehr konkret gewesen, sagte ein Polizeisprecher.
Die Polizei nahm zwei Männer aus Oberhausen fest. Ihre Vernehmung sowie die Durchsuchung ihrer Wohnungen und die Auswertung sichergestellter Gegenstände dauerten am Abend an, wie die Polizei mitteilte. Die Ermittlungen liefen weiter "auf Hochtouren". Nach dpa-Informationen handelt es sich bei ihnen nicht um direkt Tatverdächtige, sondern um Kontaktpersonen des Drahtziehers der mutmaßlichen Anschlagspläne. Dieser soll als Oberhausener Salafist bereits länger im Visier der Behörden gewesen sein.
Wer sollte den Anschlag verüben?
Die dpa erfuhr aus Sicherheitskreisen, dass der Verdächtige aus dem Dschihadisten-Gebiet in Syrien per Internet-Messenger mehrere Personen direkt kontaktierte und versuchte, sie für einen Angriff auf das Einkaufszentrum zu motivieren. Demnach sah die Anschlagsplanung vermutlich ein Attentat mit einem sogenannten "Hit-Team" vor. Ein Teil der möglichen Attentäter soll sich in Deutschland befunden haben, ein anderer Teil sollte aus dem Ausland anreisen. Unklarheit besteht noch über die Personalien der möglichen Attentäter. Unklar war auch, wie viele Terroristen sich an einem möglichen Anschlag hätten beteiligen sollen.
Die "Bild"-Zeitung berichtete, der mutmaßliche Drahtzieher habe den potenziellen Komplizen auch Anleitungen zum Bau von Bomben übermittelt. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz den ersten Hinweis auf das Bedrohungsszenario aus eigenen Quellen gewonnen. Dabei soll es um abgehörte elektronische Kommunikation gehen. In Sicherheitskreisen wurde betont, es sei ungewöhnlich, dass in einem Dschihadisten-Chat über Anschlagspläne derart konkret wie in dem Essener Fall Ort und Zeitfenster der Tat benannt würden.
Mehrere Anschlagspläne
Unklar war, ob der vermutliche Drahtzieher tatsächlich direkt im Auftrag der IS-Führung in Syrien gehandelt hat. Solche Zusammenhänge sind für die Sicherheitsbehörden allerdings oft nur sehr schwer nachzuweisen. Das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern (GTAZ) hat sich in den vergangenen Tagen mehrfach mit den sehr kurzfristig bekannt gewordenen Anschlagsplänen befasst.
Die Essener Polizei sei direkt eingeschaltet worden, nachdem die sich Details der Planungen konkretisiert hätten, hieß es weiter. Die Polizei hatte das Management am frühen Morgen informiert und angeordnet, dass der Komplex mit Geschäften und Parkgarage den ganzen Samstag geschlossen bleibt. Die Entscheidung dazu fiel in der vorangegangenen Nacht, wie Polizeisprecher Christoph Wickhorst berichtete. Das Shoppingzentrum ist nach eigenen Angaben mit mehr als 200 Geschäften und 70.000 Quadratmetern Verkaufsfläche eines der größten innerstädtischen Einkaufszentren Deutschlands.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz, auch aus anderen Teilen Nordrhein-Westfalens. Polizisten in schusssicheren Westen und mit Maschinenpistolen sicherten den umstellten Gebäudekomplex ab. Einsatzkräfte durchsuchten ihn, um auszuschließen, dass sich Beschäftigte oder Reinigungskräfte darin aufhielten. Nach Angaben des Managements halten sich samstags im Schnitt bis zu 60.000 Menschen in dem Ladenkomplex auf. Der Warnhinweis bezog sich nur auf das Einkaufszentrum, nicht aber auf umliegende Geschäfte. Außerhalb der Absperrung konnte der Samstagsbetrieb weiterlaufen.
Neue Normalität
In Essen war vor knapp einem Jahr ein Terroranschlag verübt worden. Im April 2016 hatten in Essen zwei muslimische Jugendliche eine Bombe auf ein Gebetshaus der indischen Religionsgruppe der Sikhs geworfen, während dort eine Hochzeit gefeiert wurde. Drei Menschen wurden verletzt.
In den vergangenen Monaten waren in Deutschland mehrfach öffentliche Gebäude nach Terrorhinweisen gesperrt worden. So wurde im November 2015 das Fußball-Länderspiel Deutschland-Niederlande in Hannover kurz vor Anpfiff abgesagt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen gab es wenige Tage nach den schweren Anschlägen in Paris konkrete Hinweise auf geplante Bombenanschläge im Stadion und am Bahnhof. An Silvester 2015 wurde der Münchner Hauptbahnhof nach einer Terrorwarnung geräumt. Vor zwei Jahren fiel der Karnevalsumzug in Braunschweig wegen akuter Terrorgefahr aus.
stu/rk (afp, dpa)