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Nach Erfurt

Bernd Gräßler11. März 2009

Bereits 2002 lief ein deutscher Gymnasiast an einer Schule in Thüringen Amok. Verschärftes Waffenrecht, bessere Kontrolle von Killerspielen und ein schülerfreundlicheres Prüfungssystem waren die Antwort des Staates.

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Die lebensgrosse Figur eines Kaempfers steht als Werbung am Eingang eines Video-Shops in der Innenstadt von Muenchen. (AP Photo/Diether Endlicher)
Trauer nach dem Amoklauf von ErfurtBild: AP

Der blutige Amoklauf im thüringischen Erfurt vor fast sieben Jahren, am 26. April 2002, schreckte Deutschland auf. Bis dahin kannte man derartige Schulmassaker im eigenen Land nicht. 16 Menschen starben damals.

Der 19-jährige gescheiterte Abiturient Robert Steinhäuser war Sportschütze und hatte seine Pumpgun und seine Pistole ganz normal in einem Geschäft gekauft. Deshalb setzte der Staat die Altersgrenze für den Besitz von großkalibrigen Sportwaffen auf 21 Jahre herauf. Wer noch nicht 25 ist, muss seither außerdem einen Eignungstest bestehen.

Bundesinnenminister Schäuble versuchte später, das Mindestalter für Sportschützen nach EU-Vorgaben aus Brüssel wieder auf 18 Jahre abzusenken. Der Drang nach europaweiter Vereinheitlichung scheiterte in Deutschland jedoch am öffentlichen Protest.

Die meisten Täterwaffen sind illegal beschafft

Ein entdecktes illegales Waffenlager (Foto: AP)
Ein entdecktes illegales WaffenlagerBild: AP

Allerdings ist die hohe Altershürde für den legalen Waffenerwerb nach Ansicht von Experten im Ernstfall wenig wirksam, weil 90 Prozent der Täter-Waffen illegal erworben werden.

Auch die möglichen Motive des Täters von Erfurt wurden untersucht und führten zu Konsequenzen. Der 19-jährige Gymnasiast hatte die Abiturprüfung nicht bestanden, dies jedoch vor seinen Eltern verheimlicht. Er lief Gefahr, ohne regulären Schulabschluss dazustehen. Deshalb änderte man in Thüringen und anderen Bundesländern das Schulgesetz: Gymnasiasten können nach der zehnten Klasse eine Prüfung ablegen und haben damit auf alle Fälle einen Realschulabschluss, auch wenn sie später am Abitur scheitern.

Mangel an Schulpsychologen

Werbung vor einem Videoladen in München (Foto: AP)
Gewalt im Videoladen um die EckeBild: AP

Kritik wurde damals auch an der mangelhaften psychologischen Betreuung von Schülern in Krisensituation laut. Nach dem Schock von Erfurt wollte Bundesinnenminister Otto Schily sogar für jede Schule einen Psychologen. Davon ist man heute weit entfernt.

Vergleicht man Deutschland mit anderen Ländern, dann gibt es nach wie vor erschreckend wenige Schulpsychologen. Das macht eine vom Berufsverband Deutscher Psychologen im vergangenen Jahr veröffentlichte Statistik deutlich: Danach kommen in Dänemark knapp 800 Schüler auf einen Psychologen, in Frankreich sind es 2500. In Deutschland dagegen muss ein Psychologe mehr als 10.000 Schüler betreuen. Dass eine gute Betreuung keine Garantie für weniger Gewalt ist, zeigt jedoch das Beispiel der USA, wo es relativ viele Schulpsychologen gibt.

Das unkontrollierbare Internet

Am schwersten tut sich der Staat mit der angestrebten besseren Kontrolle von sogenannten Killerspielen, die nach Ansicht von Experten Gewalt in die Köpfe der Jugendlichen tragen. Die überwiegende Zahl von jugendlichen Amokläufern gehörte zu den eifrigen Konsumenten derartiger Software.

Seit mehr als fünf Jahren werden in Deutschland Computerspiele auf ihre Eignung für bestimmte Altersgruppen geprüft und klassifiziert. Dabei arbeiten Behörden und Produzenten eng zusammen. Beim Verkauf müssen die Jugendlichen mit Ausweiskontrollen rechnen. Im vergangenen Jahr wurde das entsprechende Gesetz noch einmal verschärft: Für Jugendliche verboten sind danach nicht nur gewaltverherrlichende Spiele sondern auch solche, die das Töten und Morden besonders realistisch darstellen.

Gegen das Verbot gibt es nach Ansicht von Experten viele Verstöße - Bundesfamilienministerin von der Leyen hatte kurzzeitig sogar den Einsatz von minderjährigen Testkäufern geplant, zog diesen Vorschlag jedoch wegen allgemeiner Empörung wieder zurück. Das Problem ist: Fast unkontrollierbar, weil dem Zugriff des Staates entzogen, ist die Verbreitung der Killerspiele per Internet.