Erdogans Unterstützer
20. Mai 2014Wenn Recep Tayyip Erdogan am Samstag (24.05.2014) in der Kölner Lanxess-Arena spricht, dann werden ihm - trotz aller Kritik im Vorfeld - schätzungsweise 20.000 Menschen zujubeln. Schöne Bilder, die live im türkischen Fernsehen gesendet werden. Wenn man dann wie 2008, als der Ministerpräsident schon einmal eine umstrittene Rede in Köln hielt, wieder ein türkisches Fahnenmeer bestaunen kann, dann hat Erdogan das erneut der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) zu verdanken.
Der Verein, der 2004 in Deutschland gegründet wurde, versteht sich als überparteiliche Organisation der in Europa lebenden Türken und türkischstämmigen Bürger. Tatsächlich ist die UETD eine Interessenvertretung der türkischen Regierung im Ausland. Eine Lobby-Gruppe der Regierungs-Partei AKP, die sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Belgien, Österreich und den Niederlanden dafür einsetzt, dass die politischen Ziele der Regierung Erdogan auch von Auslandstürken mitgetragen werden.
Das Zünglein an der Waage
Immer wieder hat die UETD in den vergangenen Tagen betont, dass der Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten kein Wahlkampftermin sei, sondern eine Feier zu ihrem zehnjährigen Bestehen. Doch das zu glauben, fällt schwer, schließlich steht eine besondere Präsidentenwahl bevor: Erstmals können am 10. August auch türkische Staatsbürger außerhalb der Türkei ihre Stimme abgeben. Auch in Deutschland, wo die meisten der rund fünf Millionen Diaspora-Türken leben.
Und die könnten am Ende das Zünglein an der Waage sein, falls Erdogan zu dieser Wahl antritt. Für einen Sieg würde er etwa fünf Prozent mehr Stimmen benötigen, als seine AKP bei den Kommunalwahlen im März erhalten hat. Wahlkampf in Deutschland lohnt sich also. Das weiß auch die UETD, die ihren Hauptsitz in Köln hat. Sie hat ihre Präsenz inzwischen massiv ausgebaut und neue Zweigstellen gegründet, unter anderem in Berlin, München und Stuttgart. Durch diese Unterstützung ist die AKP so gut organisiert wie keine andere türkische Partei in Deutschland.
Angst vor Anpassung
Ahmet Şenyurt, deutscher Journalist und Buchautor mit türkischen Wurzeln weiß, wie die Union Europäisch-Türkischer Demokraten ihre Mitgliederzahl stetig erhöht. Der Verein setzte gezielt auf türkische Werte und Bräuche. Das komme offenbar bei vielen Deutschtürken gut an. "Die UETD arbeitet beispielsweise dagegen, dass vernachlässigte türkischstämmige Jugendliche vom Jugendamt an deutsche Familien vermittelt werden", so Şenyurt. Dieses Engagement lässt sich die türkische Regierung einiges kosten. Laut einem Medienbericht sollen allein 2012 und 2013 circa 10 Millionen Euro geflossen sein.
Kulturelle Werte des Osmanischen Reiches erhalten
Neben der UETD, wurde vor drei Jahren eine weitere ähnliche Organisation gegründet: die "Agentur für Auslandstürken" (YTB). Sie sei als Reaktion auf die Morde des rechtsextremen NSU in Deutschland und anderer Straftaten gegen türkischstämmige Mitbürger gegründet worden, so Ahmet Şenyurt. Unter ihrem Dach will die YTB nicht nur alle in Europa lebenden Türken vereinen, sondern auch die, die sich den kulturellen Werten des Osmanischen Reiches zugehörig fühlen, wie die Uiguren und andere Turkvölker auf der Welt. Dadurch erhoffe sich die türkische Regierung für die Zukunft politische Einflusssphären, so der Journalist.
Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland weiß, wo versucht wird, Einfluss zu nehmen. Vor allem in Moscheen der staatsnahen Türkisch-Islamischen Union, DITIB, gäbe es viele Veranstaltungen von Lobby-Vereinen, so Sofuoglu. "Da kommt dann irgendein Minister oder Abgeordneter und hält einen Vortrag." Durch gemeinsame Veranstaltungen mit UETD- und YTB-Leuten versuche man diesen Einfluss offenbar auszuweiten. Den Mitgliederzulauf erklärt sich Sofuoglu auch mit Annehmlichkeiten, die die finanzstarke UETD bietet. "Neulich gab es eine einwöchige Tagung in der Türkei in einem 5-Sterne Hotel. Da haben die Mitglieder gar nichts bezahlt." Kleinere Vereine wie die Türkische Gemeinde in Deutschland, der Sofuoglu vorsteht, könnten sich solche kostspielen Ausflüge nicht leisten.
Dass dies aus deutscher Perspektive erst mal bedrohlich wirke oder Skepsis hervorrufe, kann Ahmet Şenyurt nachvollziehen. Der Journalist und Buchautor findet diese Form der Lobbyarbeit aber prinzipiell legitim. "Nicht alle Türken in Deutschland haben einen Doppelpass oder sind Deutsche." Und dass sich ein Staat um seine Bürger kümmere, das sei doch normal. "Das macht Deutschland auch."