Entwicklungsländer brauchen Europa
20. März 2009Wie konnte es überhaupt zu einer Krise dieses Ausmaßes kommen? Die Ursache liege im ungezügelten Treiben der Banken, meint Christa Randzio-Plath vom Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen: "Wir haben in Europa reguliert, dass eine Gurke nur gehandelt werden kann, wenn sie einen bestimmten Krümmungsgrad hat. Wir dürfen aber jedes Finanzprodukt vertreiben, insbesondere die wunderbaren Derivative, ohne dass es dafür irgendwelche Regeln gab."
Da die Banken in den Entwicklungsländern anders strukturiert sind, sah es zuerst so aus, als ob die Finanzkrise einen Bogen um sie machen würde. Inzwischen ist aber allen klar, dass die immer mehr um sich greifende Wirtschaftskrise die Entwicklungsländer viel härter trifft als die Industrienationen. Sebastian Paust, Geschäftsführer der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung GmbH Inwent, weiß warum: "Das liegt in erster Linie an den massiven Exporteinbrüchen. Die Nachfrage in den USA und Europa ist entsprechend stark gesunken. Es liegt aber auch am Abzug von Direktinvestitionen aus diesen Ländern."
Auslandsüberweisungen fehlen
Zudem profitieren die Entwicklungsländer in guten Zeiten von den Überweisungen, die Auswanderer in ihre Heimat schicken. In der Wirtschaftskrise verdienen aber viele Emigranten weniger oder werden arbeitslos. Damit sinken auch die Rücküberweisungen. Allein in die Philippinen überweisen Auswanderer jedes Jahr rund 14 Milliarden US-Dollar, sagt Sebastian Paust. "Das ist ein ganz wichtiger Wirtschafts- und Finanzfaktor."
Ohne die Hilfe der Verwandtschaft im Ausland fallen immer mehr Menschen in Armut. Dabei war es gerade Asien gelungen, durch hohe Wachstumsraten in den letzten zehn bis 15 Jahren die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen von 900 auf 600 Millionen zu reduzieren. Asien war also auf dem besten Weg, als erste Region die im Jahr 2000 von allen Mitgliedsstaaten der UN festgelegten Milleniumsziele zu erreichen. Sie sehen unter anderem eine Halbierung der absoluten Armut bis 2015 vor.
Kritik an westlicher Welt wächst
Diese Ziele rücken wieder in weite Ferne, wenn sich der Trend verfestigt, dass die Industrienationen angesichts der Krise die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit weiter kürzen. Wie kann man aber den Entwicklungsländern vermitteln, dass kein Geld da ist für Armutsbekämpfung, wenn gleichzeitig tausende Milliarden in die Rettung der Banken investiert werden?
Nach Meinung von Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), werden die ohnehin großen Zweifel der Entwicklungsländer am Wirtschaftskonzept des Westens weiter vergrößert: "Die Wahrnehmung aus der Perspektive vieler Nicht-Industrieländer ist: Wir haben es mit Institutionen zu tun, die bei ihren Kernaufgaben gescheitert sind. Beispielsweise sollte der Internationale Währungsfonds IWF Vorsorge treffen, dass solche makroökonomischen Ungleichgewichte nicht entstehen und ein Frühwarnsystem schaffen. Das hat alles nicht gut funktioniert."
Messner plädiert dafür, den Umbau der internationalen Institutionen und die milliardenschweren Investitionen dazu zu nutzen, eine neue Art des Wirtschaftens einzuleiten. Er beklagt, dass unglaublich viel Geld in die Konservierung vorhandener Strukturen gesteckt werde. Viel wichtiger sei eine Transformation hin zu einer klima- und ressourcenschonenden Weltwirtschaft, denn die Klimakrise und die Ressourcenknappheit duldeten keinen Aufschub.
Europa sollte lenkende Rolle übernehmen
Bei all diesen Herausforderungen sieht Messner gute Chancen, dass Europa eine gestaltende Rolle übernehmen könnte: "60 Prozent der internationalen Investitionen in Entwicklungszusammenarbeit kommen aus Europa. Wir müssen dieses Potenzial mobilisieren." Europa sei außerdem im klimapolitischen Bereich und aus wirtschaftlich-technologischer Sicht führend.
Auch in der internationalen Kooperation genieße Europa den Ruf eines ehrlichen Maklers. "Wir haben ein 50jähriges Kapital aufgebaut, im Bezug auf die Frage, wie man grenzüberschreitend kooperiert", glaubt Dirk Messner vom DIE. In der Welt von Morgen, wenn Wirtschaftskrise, Klimakrise und Ressourcenkrise bewältigt werden müssten, werde viel mehr "regional governance", regionale Kooperation und Integration gebraucht.
Voraussetzung ist aber, dass Europa endlich mit einer Stimme spricht. Bisher hat Europa es nicht vermocht, als ein einheitlich handelnder Akteur aufzutreten.
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Insa Wrede