Demontage einer Demokratie-Ikone
7. September 2017Aung San Suu Kyi, die als "Staatsrätin" die Regierungsgeschäfte Myanmars führt, war jahrzehntelang das demokratische Aushängeschild ihrer Heimat. Jetzt steht die 72-Jährige wegen der Unterdrückung der muslimischen Rohingya-Minderheit zunehmend in der Kritik. Mehr als 365.000 Menschen unterzeichneten bereits eine Online-Petition mit der Forderung, Suu Kyi den Friedensnobelpreis wieder abzuerkennen. Die langjährige Oppositionelle habe in ihrer Rolle als faktische Regierungschefin "nahezu nichts unternommen, um dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit in ihrem Land zu stoppen" und die Rohingya-Minderheit zu unterstützen, heißt es in der Petition auf der Plattform "change.org".
Nobelpreisträger fordern Suu Kyi zum Handeln auf
Mehrere Friedensnobelpreisträger riefen Suu Kyi in einem äußerst ungewöhnlichen Schritt auf, das Vorgehen des Militärs gegen die Rohingyas zu verurteilen. Die Kinderrechts-Aktivistin Malala Yousafzai aus Pakistan forderte Myanmars einstige Freiheitskämpferin auf, gegen die "beschämende Behandlung" von Muslimen in deren Heimatland etwas zu unternehmen. "Die Welt wartet, und die Rohingya-Muslime warten." Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi sagte im Interview der Deutschen Welle, Suu Kyi müsse sich dafür stark machen, dass den Rohingays die gleichen Rechte wie der buddhistischen Mehrheit gewährt werden. Desmond Tutu, Preisträger aus Südafrika, erklärte, Bilder und Berichte über den "Horror" im Norden Myanmars erfüllten sein Herz mit "Schmerz und Furcht". Der frühere Bischof von Kapstadt forderte Suu Kyi auf, sich sich für ein Ende der Gewalt einzusetzen.
Nobelkomitee winkt ab
Das Nobelkomitee schloss unterdessen einen Erfolg der Online-Petition aus. Nur die vor der Zuerkennung eines Nobelpreises erbrachten Leistungen würden vom Komitee bewertet, erklärte der Chef des Nobel-Institutes, Olav Njölstad. Alle später erfolgenden Handlungen hätten daher keinen Einfluss. Suu Kyi hatte den Friedensnobelpreis 1991 erhalten, für ihren jahrzehntelangen gewaltlosen Kampf gegen die Militärjunta und für Demokratie.
Wegen ihrer Linie im Rohingya-Konflikt wird die Buddhistin Suu Kyi international kritisiert. In vielen muslimischen Staaten gab es in den letzten Tagen massive Proteste gegen die Regierung Myanmars und Suu Kyi. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte vor einer ethnischen Säuberung in Myanmar, die die ganze Region destabilisieren könnte.
Suu Kyi rechtfertigt Vorgehen des Militärs
Suu Kyi hatte sich am Mittwoch bei einem Besuch in Indien zum Rohingya-Konflikt geäußert, allerdings äußerst knapp: Die internationale Kritik wegen der Unterdrückung der Rohingya basiere auf "Fehlinformationen", das Ausland diene mit seiner Unterstützung für die Rohingya den "Interessen von Terroristen", sagte sie in Neu Delhi.
Am 25. August hatten im Westen Myanmars die seit Jahren heftigsten Kämpfe zwischen der Armee und Rohingya-Rebellen eingesetzt. In den vergangenen zwei Wochen flohen nach UN-Angaben mehr als 160.000 Menschen ins Nachbarland Bangladesch.
Mehr als eine Million Rohingyas leben in Myanmar in der Region Rakhine. In dem vorwiegend buddhistisch geprägten Land sieht sich die verarmte muslimische Minderheit seit Jahrzehnten Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. Viele Rohingyas besitzen keine Pässe und werden nicht als Staatsbürger anerkannt. Weite Teile der buddhistischen Mehrheit betrachten sie als illegale Einwanderer aus Bangladesch, obwohl viele von ihnen schon seit Generationen in Myanmar leben.
qu/jj (afp, dpa)