Energie aus Chinaschilf und Weizenstroh
20. August 2008Ohne die staatlichen Zuschüsse für die Produktion wäre der grüne Ölersatz überhaupt nicht wettbewerbsfähig. Dabei gilt in der EU die Biokrafstoffproduktion mittlerweile als wichtiger Bestandteil der gemeinsamen Agrarpolitik. So empfiehlt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit den Regierungen, lieber auf eine Politik der Energie-Einsparung zu setzen. Gleichzeitig regt die OECD ausdrücklich alle Forschungsprojekte zum Biotreibstoff der Zukunft an. Daran arbeiten auch viele Wissenschaftler-Teams in Frankreich, dem größten Agrarland Europas.
Zweieinhalb Millionen Hektar für Biosprit
Die französische Regierung hält vorerst an ihren ehrgeizigen Plänen fest, nach denen im Jahr 2015 Diesel und Super zu zehn Prozent aus Biotreibstoff bestehen sollen. Und das auch nach der Veröffentlichung der harschen OECD-Kritik am Biokrafstoff der ersten Generation. Derzeit sind es in Frankreich aber gerade einmal knapp zwei Prozent.
Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, müssten 2015 auf zweieinhalb Millionen Hektar im Land Raps, Sonnenblumen, Weizen, Rüben für Biokrafstoff angebaut werden. Die so genannten Energiepflanzen nähmen dann mehr als ein Sechstel der heute insgesamt bewirtschafteten Ackerfläche in Frankreich ein. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass der Biotreibstoff der Zukunft auch andere Ressourcen anzapfen muss.
Nationales Forschungsprogramm gestartet
Als besonders verheißungsvolle neue Pflanzenart gilt da Miscanthus, so genanntes Chinaschilf, das ganzjährig wächst. Zum zweiten studieren die Forscher neue Verfahren, alle Rohstoffe umfangreicher auszuschlachten. Dafür startete Paris 2005 das nationale Forschungsprogramm zu den Bioenergien, dem eine Unzahl wissenschaftlicher Projekte angehören.
Häufig stehen sie unter Federführung des INRA, des staatlichen Instituts für Agrarforschung. Paul Colonna, Experte für Biomasse und Biotreibstoff beim INRA, nennt als Beispiel ein Projekt, das kürzlich anlief und das ein neues Verfahren für die Herstellung von Bioethanol der zweiten Generation entwickeln soll. Das Projekt ist mit einem Budget von 74 Millionen Euro ausgestattet und soll in fünf Jahren die Pilotanlage einer Bioraffinerie eröffnen. "Verarbeiten wird sie alle möglichen pflanzlichen Ressourcen: Chinaschilf, Weizenstroh, Maiskolben, Pappelzweige und vieles mehr", so Paul Colonna.
Aus Abfall wird Strom
Weizenstroh, Maiskolben und Pappelzweige sind bislang ungenutzte Abfallprodukte der Land- und Forstwirtschaft. Die Wissenschaftler basteln an mehreren Methoden, ihnen Energie abzuzapfen. Francois Moisson, Forschungsdirektor bei der staatlichen Einrichtung für Umwelt und Energiepolitik, der Ademe, sieht zwei Forschungsrichtungen: der eine Weg sei das so genannte thermo-chemische Verfahren, bei dem die Pflanzenfasern unter Vakuum erhitzt und in Gas verwandelt würden. Veredelt diene dies als Biotreibstoff.
Beim zweiten Verfahren setze man Enzyme ein, so Francois Moisson, die die Fasern der Pflanzen aufbrechen und fermentieren lassen. Beim Gären entstehe Alkohol, Ethanol, mit dem man direkt das Auto betanken könne. Enzyme, dank derer die Energiereserven der Pflanzen nutzbar werden, gelten als Wundermittel der Forscher rund um den Globus. Doch dafür braucht es einen ganzen Cocktail an Enzymen. Und dessen Mix gelang bisher noch keinem.
Entschlüsselung des Zellulose-Fressers
Große Hoffnungen setzen Bernard Henrissat und sein Team von den Universitäten Mittelmeer und Provence auf einen Pilz, den Trichoderma reesei. Seit langem ist der Pilz als Zellulose-Fresser bekannt. Bei der Entschlüsselung seines Erbgutes entdeckten die französischen Forscher jetzt, dass Trichoderma reesei über weitere hochinteressante Eigenschaften verfügt.
Bernard Henrissat erläutert, dass der Zellulose-Fresser als Industriepilz gelte, da er eine große Menge an Enzymen pro Liter Zuchtkultur produziere. Zum anderen lasse er sich genetisch leicht manipulieren. "Man kann ihm problemlos Gene anderer Pilze einsetzen. Damit entwickelt er dann auch Enzyme, die andere Pflanzenteile zersetzen", sagt der Experte.
Biotreibstoff aus dem Meer
Jean-Paul Cadoret vom Meeresforschungsinstitut Ifremer schwört dagegen auf Mikroalgen. Und darauf, dass sie bei der Photosynthese viel größere Mengen Öl für Biodiesel produzieren als Raps und Sonnenblumen. Seit vergangenem Jahr arbeiten sieben Labors in der Arbeitsgruppe Shamash Hand in Hand an der Entwicklung des Biotreibstoffes aus dem Meer.
"Wir haben mit zwei großen Problemen zu kämpfen", erklärt Jean-Paul Cadoret. "Derzeit ist die Algenölproduktion noch viel zu teuer. Da braucht es noch viel Forschung." Das zweite Problem sei die Standortfrage. In Hawaii, in Südamerika und in Australien gebe es Raum für große Algenfarmen. In Europa allerdings mangele es da am nötigen Platz.
Die nächste Generation der Biotreibstoffe könnte Mitte des nächsten Jahrzehnts an der Zapfsäule sein. Vorher aber haben die Forscher noch einige hohe Hürden zu nehmen. Vor allem die, die industriellen Fertigungskosten wettbewerbsfähig zu machen. Klar ist aber heute schon, dass der Wunsch, Erdöl eines Tages komplett durch Biokrafstoff zu ersetzen, aus heutiger Sicht utopisch erscheint.