Ende der Sprachlosigkeit
16. Januar 2002Seit 28 Jahren ist die beliebte Reiseinsel im Mittelmeer politisch und national geteilt: Griechische und türkische Zyprioten streiten um die Vormachtstellung.
Am Mittwoch (16.01.02) finden nach Jahrzehnten erstmals wieder Friedensverhandlungen zwischen führenden Vertretern der griechischen und türkischen Bevölkerung auf Zypern statt. Vorausgegangen waren direkte Gespräche zwischen dem Führer der Griechen und der Türken auf der Mittelmeerinsel, Glafkos Kleridis und Rauf Denktasch, am vergangenen Freitag. Beide werden sich in der geteilten Haupstadt Nikosia treffen um eine Lösung im Konflikt und den geplanten EU-Beitritt Zyperns im Jahr 2004 zu besprechen - unter den Beobachtungen des Sondergesandten der Vereinten Nationen Alvaro de Soto.
Zypern - Wunschkandidat der EU
Die Friedensbemühungen werden auch mit größter Sorgfalt der EU beobachtet, da Zypern zu den Spitzenreitern unter der EU-Aspiranten gehört, neben Ungarn und Slowenien. Zypern erfüllt wichtige Kriterien für eine Mitgliedschaft: in Fragen der Justiz, der Angleichung der Verwaltung an EU-Standard oder in Fragen der Agrarwirtschaft. Die Mittelmeerinsel ist also Wunschkind, aber politisch gesehen noch ein Sorgenkind. Nach wie vor ist die Frage ungelöst, wie bei einer Aufnahme des Landes mit dieser Teilung umgegangen wird.
Zwei Nationen auf einer Insel
Die Türkei erhebt Anspruch auf den nördlichen Teil Zyperns. Ankara koordiniert 35.000 türkische Soldaten im besetzten Nordteil. Die Griechen verwalten den Süden des Landes. Nach dem Muster des geteilten Nachkriegsdeutschland wäre dann nur im griechisch-sprachigen Südteil der Insel das EU-Recht gültig. Denn die Besetzung des Nordteils der Türken wird international nicht anerkannt. Außerdem wird die Türkei noch nicht als EU-Mitglied gehandelt, weil die Defizite in Fragen der Menschenrechte und der Rolle der Militärs zu eklatant sind.
Die inoffiziellen Toten
Einer der heiklen Verhandlungspunkte wird die sogenannte "Vermisstenfrage" sein. 2000 Menschen, die in dem Konflikt als vermisst gelten, werden offiziell nicht als tot aufgelistet, sondern nur als "vermisst". Die ersten starben schon in den 60er Jahren bei blutigen Straßenunruhen zwischen Türken und Griechen. Ein Putschversuch der Griechen, der viele türkische Opfer auf Zypern forderte, wurde mit einer Invasion der Türken beantwortet, bei dem 1974 die Gegenseite viele Tote zu beklagen hatte.
Keiner von den sogenannten "Vermissten" wird noch lebend vermutet. Für ihre Angehörigen ist dies eine Tortur, denn sie wissen nicht wo die Körper verscharrt sein könnten. Eine Entmilitarisierung der Insel durch den Abzug von Truppen beider Seiten kann nicht nur den Frieden, sondern auch den EU-Beitritt näher rücken lassen. (pt)