Batterietechnologie verzweifelt gesucht
16. Februar 2023Damit hatte der Reporter nicht gerechnet: Auf einer längeren Fahrt mit einem brandneuen, hochwertigen Elektroauto sank bei winterlichen Temperaturen die vom Bordcomputer prognostizierte Reichweite schlagartig - trotz zunächst vollgeladenem Akku. Statt der vorhergesagten 390 Kilometer reichte die Energie für lediglich 230 Kilometer, bis der nächste Ladestop eingelegt werden musste.
Außerdem lagen die Kosten, die an den unterschiedlichen Ladesäulen während der Reise insgesamt anfielen, sogar über denen, die bei der gleichen Fahrt mit einem Verbrenner an der Tankstelle fällig geworden wären. Überschrieben war der Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit dem Titel "Mythos vom attraktiven Elektroauto"; das Test-Urteil war ernüchternd: "Die Akkutechnik benötigt offenbar einen Sprung, sonst erfüllt sie die Ansprüche an die Alltagstauglichkeit eines Erstautos nicht."
Lösungen für die Zukunft
Diese Gefahr und viele weitere Probleme sehen wohl auch die Hersteller von Batteriezellen und tüfteln an zukünftigen Lösungen. So kündigte der Branchenprimus CATL aus China im Sommer 2021 neuartige Batteriezellen an, bei denen der teure Rohstoff Lithium durch leicht erhältliches, günstiges Natrium ersetzt wird. Auch fällt das umstrittene Kobalt weg, bei dessen Abbau Böden und Wasser verseucht werden. Kürzlich wurde mit der Pilotfertigung der neuen Natrium-Ionen-Batterien begonnen.
Der ebenfalls aus China stammende Elektroauto- und Batteriehersteller BYD, weltweit nach Tesla die Nummer zwei der Branche, plant laut Medienberichten bereits einen Kleinwagen mit dieser Batterietechnologie.
Natrium-Ionen Batterien sollen angeblich zwar sehr schnell beim Aufladen sein und benötigen nur 15 Minuten für 80 Prozent Ladung. Doch im Vergleich mit den heute gängigen Lithium-Ionen-Batterien liegt ihre Speicherkapazität ein Drittel niedriger und damit nach Expertenmeinung an der Untergrenze für den Einsatz im Auto.
Bereits verbaut werden in einigen Modellversionen von Tesla und BYD Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP-Batterien), die weder Nickel noch Kobalt enthalten. Auch sie kosten weniger als herkömmliche Lithiumbatterien, bringen aber auch weniger Leistung.
Feststoffbatterien als Hoffnungsträger
Reine Zukunftsmusik für den Einsatz in Serien-Pkw sind die sogenannten Feststoffbatterien, die größte Reichweiten und kürzeste Ladezeiten bei niedrigen Kosten und höchster Sicherheit versprechen. Bei diesen neuen Superbatterien handelt es sich um Lithium-Ionen-Akkus mit festen statt flüssigen Elektrolyten, eine der zentralen Komponenten in jeder Batterie.
Das klingt nicht nur kompliziert, sondern ist es auch. Deutsche Autobauer wie Mercedes-Benz, BMW oder Volkswagen arbeiten schon länger mit asiatischen oder US-amerikanischen Firmen an der Entwicklung von Feststoffbatterien. Zum Einsatz in ausgewählten Serienmodellen soll die neue Technologie laut Ankündigungen beispielsweise von Mercedes-Benz aber erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts.
Konkreter äußerte sich kürzlich der Autohersteller Nissan. Die Japaner wollen 2025 die Produktion von Festkörper-Batterien zunächst langsam in einer neuen Fabrik hochfahren, um dann 2028 die Großfertigung für erste Serienfahrzeuge zu erreichen. "Wir glauben, dass wir etwas ganz Besonderes haben und gehören zu einer Gruppe, die in dieser Technologie führend ist", verkündete kürzlich David Moss, Nissans Senior-Vizepräsident für Forschung und Entwicklung in Europa, vollmundig. Die Ziele im Vergleich zu aktuellen Lithium-Ionen-Batterien beschrieb er mit den Worten: "Wir wollen die Kosten um 50 Prozent senken, die Energiedichte verdoppeln und die dreifache Ladegeschwindigkeit bieten."
Recycling und Kreislaufwirtschaft
Ein weiterer wichtiger Baustein der künftigen Batterie-Strategie ist das Recycling gebrauchter Komponenten. Es geht um die Rückgewinnung bereits verwendeter Rohstoffe, um sie im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft für die Produktion neuer Stromspeicher zur Verfügung zu stellen. Das spart Ressourcen und schont die Umwelt durch die Verringerung von Treibhausgasemissionen, die beim Abbau entstehen würden.
Genau diese Verringerung ist eines der Hauptziele, die US-Präsident Joe Biden mit dem Inflation Reduction Act verfolgt. Mit dem gewaltigen staatlichen Subventionsprogramm, das im Sommer vergangenen Jahres in Kraft trat, soll unter anderem in die heimische Energieerzeugung der USA investiert und gleichzeitig saubere Energie gefördert werden.
Tesla-Technikchef mit neuer Firma
Das neue US-Gesetz kommt Firmen wie Redwood Materials zugute. Gegründet wurde das Unternehmen von Jeffrey Brian Straubel, dem ehemaligen Cheftechniker des amerikanischen Elektroautoherstellers Tesla. "Warum sollte jemand einen Technologiejob bei Tesla aufgeben und sich um Abfall und Recycling kümmern?", fragte der Vertraute von Elon Musk selbstbewusst, der das richtige Näschen für aufstrebende Geschäftsmodelle zu haben scheint.
Den bis dahin größten Auftrag für Batteriematerialien in den USA, der den Bedarf für rund eine Million Elektroautos decken soll, hat Redwood Materials bereits im November 2022 von Panasonic erhalten. Der japanischen Batteriehersteller will damit in einem neuen Werk im US-Staat Kansas produzieren. Straubel erhielt für den weiteren Ausbau seiner Firma vom US-Energieministerium einen Kredit von zwei Milliarden Dollar.
In Europa und Deutschland steckt die Kreislaufwirtschaft für die Batterien von Elektroautos noch in den Kinderschuhen. Bisher gibt es nur Pilotanlagen und experimentelle Recyclingwerke, deren Kapazitäten zurzeit noch ausreichen, weil Elektrofahrzeuge noch nicht so verbreitet sind. Das wird sich aber in den nächsten Jahren ändern.
Schwächen in Deutschland und Europa
Noch ist nicht klar, wer in Zukunft das große Geschäft mit dem Batterierecycling in Deutschland machen wird. Die Batteriehersteller konzentrieren sich in erster Linien auf den Bau neuer Produktionsstätten. Von den großen Autokonzernen betreibt hierzulande nur VW eine vorerst noch kleine Anlage in Salzgitter. Spezialisierte Recyclingunternehmen Accurec in Krefeld oder Redux in Bremerhaven gehen mit größeren Kapazitäten ans Werk, inklusive Geräte- und Haushaltsbatterien.
Das Recycling von Batterien aus Elektroautos ist aufgrund technischer Besonderheiten bei der Demontage bislang nicht automatisierbar, deshalb fallen hohe Lohnkosten an. Hinzu kommen Aufwendungen für die verhältnismäßig teure Energie. "Aktuell sehen wir, dass viele geplante Batteriewerke unter anderem wegen der hohen Energiekosten in Europa auf Eis gelegt werden. Dieser Trend wird die Recycling-Branche zeitverzögert erreichen", zitiert das Handelsblatt den Branchenexperten Alexander Timmer vom Beratungsunternehmen Berylls.
Durch die Förderpläne der US-Regierung im Rahmen des Inflation Reduction Act gibt es Verzögerungen oder drohende Stopps von Batteriewerken in Deutschland - etwa bei Tesla in Grünheide bei Berlin oder dem schwedischen Unternehmen Northvolt, das eigentlich in Heide (Schleswig-Holstein) eine Fabrik errichten und nun womöglich zunächst in den USA investieren will.
Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sieht diesen Subventionswettlauf skeptisch. Auf einer Veranstaltung der Leibniz-Wirtschaftsinstitute in dieser Woche sagte er: "Was die Batteriefabriken angeht: Wir sollten keinen Bieter-Wettbewerb um Subventionen mit den USA eingehen." Dass die USA aufgrund geopolitischer Spannungen keine Batterien für E-Autos mehr verkaufen, glaube er nicht.
"Batterieproduktion ist eine energieintensive und ziemlich dreckige Angelegenheit, viel Geld kann man damit nicht verdienen. Und solange das mit bekannten Technologien läuft, sollten wir das ruhig die Amerikaner machen lassen. Wenn die uns die Batterien dann auch noch subventioniert verkaufen, wunderbar, dann bekommen wir die ja sogar günstiger."