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El Salvador plant ein Wirtschaftswunder

Tobias Käufer San Salvador
26. November 2024

El Salvadors Präsident Nayib Bukele hat große Pläne, vor allem die Wirtschaft seines Landes will er in Schwung bringen. Die Hoffnungen sind groß, die Bedenken allerdings auch.

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Die von China finanzierte neue Zentralbibliothek in San Salvador
Die von China finanzierte neue Zentralbibliothek in San Salvador, der Hauptstadt von El SalvadorBild: Tobias Käufer/DW

Es herrscht ein riesiges Getümmel in der schmucken neuen Zentralbibliothek "Binaes" in El Salvadors Hauptstadt. Das futuristisch anmutende gläserne Gebäude - gegenüber der Kathedrale und neben dem Präsidentenpalast in San Salvador - ist so etwas wie ein Familientreffpunkt geworden: Kinder lesen oder spielen, Eltern sehen dabei zu. Die Buchauswahl ist beeindruckend. Finanziert wurde das ganze aus China und ist Teil eines Modernisierungsprojektes für das historische Zentrum in San Salvador.

Präsident Nayib Bukele will allerdings nicht nur den Stadtkern, sondern gleich sein ganzes Land umkrempeln. Er verspricht nicht weniger als ein Wirtschaftswunder: "Unser nächstes Ziel ist es, dass die Welt El Salvador mehr wegen seines Wirtschaftswunders als wegen seines Sicherheitswunders wahrnimmt. Das wird noch einige Jahre dauern, aber wir sind auf dem richtigen Weg."

El Salvador | Eröffnung Google Büro | Rede Präsident Nayib Bukele
Präsident Nayib Bukele, hier bei der Eröffnung des Google Office, plant ein "Wirtschaftswunder"Bild: Camilo Freedman/SOPA Images/Sipa USA/picture alliance

Sicherheitslage stabilisiert

El Salvador ist von einem der unsichersten zum sichersten Land Lateinamerikas geworden - sagen zumindest die offiziellen Zahlen. Von fast 4000 Morden im Jahr 2017 ging die Zahl auf unter 80 in den ersten Monaten des laufenden Jahres zurück. Die Regierung ließ während eines von 2022 bis heute andauernden Ausnahmezustandes mehr als 80.000 mutmaßliche Bandenmitglieder der gefürchteten Mara-Gangs festnehmen.             

Der Begriff "Mara" umfasst viele verschiedene kriminelle Banden, die in ganz Zentralamerika agieren. Sie machen ihre Geschäfte hauptsächlich mit Waffen-, Drogen- und Menschenhandel sowie durch Prostitution.

Bei Nichtregierungsorganisationen ist dieser Weg umstritten, weil sich auch tausende Unschuldige unter den Inhaftierten befinden sollen, demokratische Grundrechte ausgehebelt und Restriktionen unter dem Ausnahmezustand nicht nur gegen bewaffnete Gangmitglieder angewendet worden sein sollen.

Portrait von Karla Klaus, Vorsitzende der deutsch-salvadorianischen Handelskammer
Karla Klaus, Vorsitzende der deutsch-salvadorianischen Handelskammer, spricht von neuen ArbeitsplätzenBild: Tobias Käufer/DW

Industrie ist zuversichtlich

Der überwiegende Teil der salvadorianischen Bevölkerung aber fühlt sich geradezu befreit. Das gilt auch für kleine und mittelständische Industriebetriebe, die plötzlich keine Schutzgelder an die gefürchteten Mara-Banden mehr zahlen müssen. "Viele große deutsche Unternehmen fühlten sich gezwungen, wegen der schlechten Sicherheitslage das Land zu verlassen", sagt Karla Klaus von der deutsch-salvadorianischen Handelskammer im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Kleinere Betriebe mussten einen Teil ihrer Einnahmen für Sicherheitsmaßnahmen aufgeben, das Geld fehlte dann für Investitionen. In einer eigenen Umfrage der Kammer unter den rund 150 Mitgliedsbetrieben ist die Zuversicht nun deutlich größer: Sie erwarten ein Wirtschaftswachstum. "Zahlreiche Firmen erwägen jetzt, zu investieren. In die Versorgung mit erneuerbaren Energien, in die Modernisierung des Maschinenbestandes und es gibt auch Überlegungen, neues Personal einzustellen", berichtet Klaus von einer "Aufbruchstimmung".

Auch der US-amerikanische IT-Gigant Google hat vor wenigen Monaten einen Firmensitz in San Salvador eröffnet. Und will nach eigenen Angaben mithelfen, das Land zu digitalisieren und zu modernisieren. Der moderne Glasbau ist ein Symbol dafür, dass es tatsächlich klappen könnte mit dem Aufschwung.

Außenansicht der neuen Google-Zentrale in der Hauptstadt San Salvador
Zeichen des Aufbruchs in El Salvador: Google-Zentrale in der Hauptstadt San Salvador Bild: Tobias Käufer/DW

Umstrittenes Großprojekt

Die Regierung hofft auf eine Sogwirkung und setzt zudem auf den Tourismus: Unter anderem auf das Projekt "Surf City II", das Wassersportler aus der ganzen Welt anziehen soll. Es ist ein neuer, zweiter Pazifik-Flughafen geplant, der die Touristen direkt an die Nähe der Strände bringen soll. Investoren wollen neue Hotels bauen. Die Zielgruppe: Touristen aus westlichen Ländern und aus dem Süden der USA, der vergleichsweise kurzen Anreise wegen. Und natürlich die internationale Surfer-Szene.

Umweltschützer aber warnen, das Projekt könne die einzigartige Natur der Region gefährden oder gar zerstören. Bukele wirbt für das Projekt, der Staat will 100 Millionen US-Dollar in die Infrastruktur investieren:"Wir haben hier einen der beeindruckendsten Strände des Landes, ein Gebiet, das von allen früheren Regierungen verlassen wurde", sagte Bukele schon vor zwei Jahren. "Surfer sagen mir, dass es einer der besten Surfstrände der Welt ist. Es gibt nicht einmal eine richtige Straße, um ihn zu erreichen." Die Straßen seien Schotterpisten und neben dem Strand Punta Mango wären auch die Strände in der Umgebung nicht erschlossen, so Bukele.

Portrait der Oppositionspolitikerin Claudia Ortiz
Oppositionspolitikerin Claudia Ortiz sieht die hochfliegenden Pläne des Präsidenten skeptischBild: Tobias Käufer/DW

Zweifel an den Versprechen

Ines Klissenbauer, Mittelamerika-Expertin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, befürchtet im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass der "ökologische Schaden dieses Projektes so groß wäre, das eine nachhaltige Umsetzung eigentlich nicht möglich ist." Es sei der Versuch Bukeles, für das hochverschuldete Land Kapital ins Land zu bekommen.

El Salvadors einzige echte Oppositionspolitikerin im Parlament ist ebenfalls skeptisch. Claudia Ortiz von der sozialdemokratisch ausgerichteten Partei Vamos verweist auf die ähnlich groß angekündigte Bitcoin-Strategie des Landes. "Bitcoin ist Teil eines autoritären Projekts und Teil eines Systems, in dem öffentliche Mittel nach eigenem Ermessen und ohne jegliche Transparenz verwendet werden", kritisiert Ortiz im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Zwar gebe es in den Geschäften Hinweise, dass Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert wird, doch der Durchschnittsbürger könne sich das gar nicht leisten: "Die wirtschaftlichen Probleme El Salvadors und die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung werden nicht dadurch gelöst, dass Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel gemacht wird", sagt Ortiz.