Eintracht: Müde Beine, leere Köpfe
12. Mai 2019Als der Abpfiff erfolgt war, ließ sich Frankfurts Innenverteidiger Martin Hinteregger einfach nach hinten auf den Rasen kippen und hielt sich die Hände vors Gesicht. Viele seiner Mitspieler taten es ihm gleich. Nicht weit entfernt von Hinteregger erinnerte Eintracht-Torhüter Kevin Trapp ein wenig an Oliver Kahn nach dem verlorenen WM-Finale von 2002, wie er traurig am Pfosten lehnte. Der einzige Unterschied: Während der geschlagene Torwart-Titan Kahn vor 17 Jahren seinen Frust alleine bewältigen musste, wurde Trapp von einem herbeigeeilten Betreuer getröstet - auch wenn das nach dem enttäuschenden 0:2 gegen den FSV Mainz eigentlich nicht möglich war.
Abraham nur Abwehr-Statist
Viel war in den 90 Minuten gegen den Lokalrivalen nicht zusammengelaufen: Zwar machte die Eintracht in der ersten Halbzeit zunächst Druck und hatte durch Rebic eine gute Chance, in Führung zu gehen. Doch je länger jedoch das Spiel lief, umso müder wurden die ohnehin schon müden Beine. Spätestens nachdem Mainz durch Anthony Ujah in Führung gegangen war, waren auch die Köpfe der Frankfurter leer. Wie leicht sich Vorlagengeber Jean-Philippe Mateta vor dem ersten Treffer Frankfurts Innenverteidiger David Abraham ausspielen konnte, zeigt, in welchem Zustand die Eintracht-Profis nach einer langen und anstrengenden Saison sind. Zweimal lupfte Mateta den Ball über den eigentlichen robusten Argentinier, der so zum Statisten degradiert wurde, und legte auf Ujah ab. Der Nigerianer war von Hinteregger alleine gelassen worden und hatte keine Mühe zu treffen.
Der letzte Bundesliga-Sieg der Frankfurter liegt mittlerweile über einen Monat zurück und datiert vom 28. Spieltag - ein 2:1-Erfolg auf Schalke. Seitdem: 1:3 gegen Augsburg, 1:1 in Wolfsburg, 0:0 gegen Berlin, vergangenes Wochenende das 1:6-Debakel in Leverkusen. Der Akku ist leer. Fast schon kläglich vergaben Ante Rebic und Co. am Ende des Spiels gegen Mainz die zwei oder drei Chancen, die sich ihnen noch boten.
"Die Tore waren einfach zu einfach, man muss besser verteidigen. Das war der Grund, warum es aus dem Nichts 2:0 stand", analysierte Hinteregger, dem Ujah beim zweiten Tor den Ball durch die Beine schoss, anschließend bei Sky. "Wir haben die Chance, nächstes Jahr wieder in Europa zu spielen, nicht genutzt. Wir haben es nicht geschafft. Keine Ahnung warum." Die Frankfurter hatten aufgrund einer Sondergenehmigung der Liga einen Tag mehr Verschnaufpause bekommen nach dem Europa-League-Aus beim FC Chelsea. Denn eigentlich werden an den letzten beiden Spieltagen alle Partien zeitgleich ausgetragen. Doch auch die Extra-Ruhezeit nutzte nichts.
Wolfsburg und Hoffenheim lauern
Nun wird es schwierig, die Spielzeit, die so viele Fußballfeste beinhaltete, doch noch zu einem guten Ende zu bringen. Denn das nächste Spiel, das letzte der Saison, findet ausgerechnet in München statt und wird alles andere als eine einfache Aufgabe: Der FC Bayern ist noch nicht deutscher Meister und braucht wahrscheinlich einen Sieg gegen Frankfurt, um den siebten Titel in Folge unter Dach und Fach zu bringen. Eine weitere Niederlage der Eintracht ist in Anbetracht des angeschlagenen Fitnesszustands und Selbstbewusstseins der Frankfurter zumindest nicht unwahrscheinlich.
Und damit droht aus Frankfurter Sicht ein Horrorszenario: Im Rennen um Platz vier und die Teilnahme an der Champions League sind die Frankfurter, die 54 Punkte geholt haben, gegenüber Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen (beide 55) schon ins Hintertreffen geraten. Aber auch die erneute Teilnahme an der Europa League ist gefährdet, da mit dem VfL Wolfsburg (52) und der TSG Hoffenheim (51) zwei weitere Klubs mit einem Sieg am letzten Spieltag vorbeiziehen könnten, sollte die Eintracht tatsächlich in München verlieren.
Alles raushauen?
Als Achter stünde man mit gänzlich leeren Händen da. Würde man Siebter, wäre zwar die Europa League erreicht, allerdings mit der Bürde, bereits in der Qualifikationsrunde in den Wettbewerb einsteigen zu müssen. Damit würde die nächste Saison bereits im Juli anfangen, eine ausreichende Pause im Sommer und eine vernünftige Saisonvorbereitung würden so schwierig.
"Jetzt müssen wir gegen Bayern nochmal alles raushauen", sagte daher ein müder und niedergeschlagener Martin Hinteregger und versuchte sich und seinen Kollegen sechs Tage vor dem Showdown Mut zuzusprechen. Alles raushauen? Ein ehrenwerter Ansatz, den man sich bestimmt auch gegen Mainz schon vorgenommen hatte. Doch wieviel kann "alles" noch sein, wenn eigentlich nichts mehr im Speicher ist?