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"Einseitige Bilder-Vielfalt"

Das Interview führte Vladimir Müller27. April 2003

Der Irak-Krieg ist so gut wie vorüber – Zeit für eine Analyse der medialen Darstellung des Kriegsgeschehens. Die Deutsche Welle führte darüber ein Interview mit dem Medienexperten Bernd Gäbler.

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Wie Sie sehen, sehen Sie nichtsBild: AP

Im Unterschied zum zweiten Golf-Krieg vor zwölf Jahren bekamen die westlichen Medien, allen voran der amerikanische Fernsehsender CNN, Konkurrenz aus den arabischen Ländern: vom TV-Sender Al Dschasira und vom Abu-Dhabi-TV. Trotzdem meint der Medienforscher und Geschäftsführer des renommierten Adolf-Grimme-Instituts, Bernd Gäbler, CNN habe sich wieder als eine Art globales Medien-Modell profiliert.

Herr Gäbler, welche Rolle hat CNN in diesem Irak-Krieg gespielt?

"CNN hat die Berichterstattung dominiert, war dabei sehr amerikanisch-patriotisch, hat zugleich aber sehr viele multikulturelle Impulse in sich aufgesogen. Es gab Rundblicke auf CNN: Wie berichtet die Welt über diesen Krieg? Bis in die Gestalt der Moderatoren hinein gab es auch sehr viel Arabisches, was aber aufgesogen wurde in diesen amerikanischen Patriotismus. Ich glaube, CNN war eine Art flankierende mediale Begleitung des neuen amerikanischen Empire-Gedankens."

Worin sehen Sie die Unterschiede zu der Berichterstattung über den Golfkrieg von 1991?

"Wir hatten jetzt in diesem Krieg eine sehr größere Bilder-Fülle, wir haben Opfer des Krieges gesehen. Es war nicht mehr so sehr die Betonung auf die High-Tech-Überlegenheit, sondern auf die Nähe zu den Soldaten. Das heißt, es war eine größere Emotionalisierung da, eine größere Echtzeit-Berichterstattung von Kampfhandlungen."

Haben die Fernseh-Zuschauer alles Wichtige über den Krieg erfahren?

"Es sah eine Zeit lang so aus, als wäre das Hemmnis für das Voranschreiten der Truppen hauptsächlich natürlicher Art, also Sandstürme und ähnliches. Ich glaube, dass in dieser Phase die entscheidenden militärischen Operationen stattgefunden haben, die aber weitgehend für uns verborgen geblieben sind."

Ist denn zumindest dort, wo es möglich war, objektiv über den Krieg berichtet worden?

"Ich glaube, dass sehr viele aus einer bestimmten Perspektive berichtet haben. Also, der so genannte "eingebettete" Journalist - "embedded correspondent" - hat natürlich auf das Kriegsgeschehen aus dem Sehschlitz eines Panzers geschaut. Andere haben aus anderen Perspektiven geschaut. Al Dschasira hat sehr viele Berichte über die Opfer gemacht. Insofern gab es schon - das war auch neu - ein stärker plurales Bild, eine Bilder-Vielfalt. Nur die jeweiligen Einseitigkeiten waren nicht zu übersehen."

Welche Möglichkeit haben Fernseh-Zuschauer, sich besser zu informieren? Gar keine?

"Ich plädiere immer dafür, dass die Leute sich selber einen Medien-Mix besorgen sollen. Also immer auch etwas nachlesen, immer zusätzlich eine Zeitung oder ein Buch in die Hand nehmen und sich nicht auf das Fernsehen verlassen."

Wo sehen Sie die Unterschiede zwischen US-amerikanischer Kriegsberichterstattung und derjenigen in Europa?

"Ich glaube, dass es eine große Differenz gab in der Mainstream-Berichterstattung zwischen den USA und Europa. Und zwar entlang der politischen Differenzen. Also die europäischen Medien haben den politischen Spielraum, der dadurch entstand, dass Frankreich und Deutschland gegen diesen Krieg waren, doch sehr stark genutzt, um auch skeptische Distanz zu wahren, während es in den USA doch viel mehr Uniformität - jedenfalls in den hauptsächlichen Massenmedien - zu Gunsten der Bush-Administration gab."

Was sind wohl die Lehren der TV-Sender aus diesem Krieg?

"Es gibt da jetzt Anstrengungen, insbesondere aus Frankreich, eine Art europäisches CNN zu schaffen, und darin ist sicher eine gewisse Hilflosigkeit zu spüren gegen das, was ich das neue multikulturell aufgeladene globale 'role model' von CNN nenne, das sicherlich auch etwas zeigt von der kulturellen Dominanz der USA."