Einsatz für Südafrikas Frauen
17. September 2010"Mit sechs Jahren wurde mir klar, dass ich an der Lösung des Problems mitwirken und für die Rechte der Frauen eintreten würde," erzählt Sizani Ngubane. Damals hörte sie jedes Wochenende, wie ihre Tante nebenan von ihrem Partner verprügelt wurde. Auch ihre Mutter wurde von ihrem Vater misshandelt. Als Kind war sie dieser Situation hilflos ausgeliefert, doch als sie älter wurde, beschäftigte sie sich intensiv mit Frauenfragen. Heute ist Sizani Ngubane 63 Jahre alt. Noch immer sprüht die Aktivistin vor Kampfgeist. Ihr Terminkalender ist voll. Ihr Handy klingelt im Viertelstunden-Takt. Doch ihren Gesprächspartnern gibt sie das Gefühl Zeit zu haben. Ihre Herzlichkeit ist ansteckend und entspricht so gar nicht dem Klischee der verbissenen Feministin. Sizani Ngubane ist ein gern gesehener Gast auf internationalen Konferenzen, organisiert zu Hause in Südafrika Protestmärsche und Workshops.
Kein Grundbesitz, keine Lobby
Vor rund zehn Jahren hat Sizani Ngubane das "Rural Women’s Movement" gegründet. Eine Bewegung, die sich für die Frauen in den ländlichen Gebieten Südafrikas einsetzt. "Das wichtigste Ziel ist es, dass die Frauen Land besitzen können", erklärt Sizani Ngubane. "Denn ohne Land bleiben sie arm und haben keine Lobby." Viele Frauen in Südafrika werden nach dem Tod ihrer Ehemänner aus ihren Häusern vertrieben und müssen zu ihren Verwandten ziehen, die sie meistens nur widerwillig aufnehmen. Studien belegen, dass Frauen, die keinen Grundbesitz haben, abhängiger sind und damit auch stärker Gewalt und dem Risiko ausgesetzt, sich mit HIV zu infizieren. Deshalb fordert das "Rural Women’s Movement", dass Frauen ein eigenes Recht auf Grundbesitz erhalten. Eine Forderung, die einen Bruch mit der Tradition darstellt, nach der Land den Söhnen vererbt wird und die Töchter zu ihren Ehemännern ziehen. Die Dorfältesten wollten dieses System bewahren, die Frauen trauten sich häufig nicht, dagegen zu rebellieren, sagt Sizani Ngubane.
Widerstand, Ausgrenzung, Morddrohungen
Vor allem zu Beginn habe sie mit großem Widerstand kämpfen müssen, nicht nur von Männern, sondern auch von den Frauen selbst, betont die Frauenrechtlerin. Denn die Frauen glaubten, dass ihr Platz in der Küche ist und wollten nichts von Gleichberechtigung wissen. "Zwei Dorfgemeinschaften haben mir sogar offen gedroht mich umzubringen, wenn ich sie nicht in Ruhe lasse", fügt Sizani Ngubane hinzu, lächelt und streicht sich über die kurzen grauen Haare. Sie lässt sich nicht einschüchtern. Ihr ganzes Leben ist sie gegen den Strom geschwommen und offensiv für ihre Überzeugungen eingetreten. Sie hat nie geheiratet, bewusst zwei Kinder ohne Vater aufgezogen und damit gegen die Regeln der Zulu-Kultur verstoßen. "Auf mich hat man deshalb herunter geschaut. Nicht verheiratet zu sein war damals ein Stigma", erinnert sich die 63-jährige. Noch heute werde manchmal hinter ihrem Rücken getuschelt. Denn für viele Männer müsse eine gute Frau einfach verheiratet sein.
50.000 Frauen schließen sich der Bewegung an
Sizani Ngubane lebt heute gemeinsam mit ihrer Enkelin in einem bescheidenen Haus bei Pietermaritzburg. Nach dem Tod ihrer Tochter hat sie das Mädchen bei sich aufgenommen. Sie sorgt dafür, dass es eine gute Schulbildung bekommt. Der zentrale Raum, von dem zwei Schlafzimmer abgehen, dient als Küche, Wohn-, Ess- und Arbeitszimmer. Neben dem Computer stapeln sich Bücher und Unterlagen. Doch da die Frauen-Bewegung inzwischen auf über 50.000 Mitglieder gewachsen ist, hat Sizani Ngubane auch Büroräume in der Stadt angemietet. Unermüdlich arbeitet sie für einen Mentalitätswechsel in der Gesellschaft, angetrieben durch kleine Fortschritte und Erfolge. "Die Frauen, die früher bei den Meetings kein Wort heraus bekommen haben, schlagen heute ein, wie eine Bombe", erzählt Sizani Ngubane. Sie erinnert sich an eine Witwe, die aus ihrem Haus vertrieben wurde und der anfangs einfach nur die Tränen über die Wangen liefen. Doch vor ein paar Monaten hat sie das "Rural Women’s Movement" in Kapstadt vor einem traditionellen Gericht vertreten. "Sie war fantastisch", sagt die Gründerin der Organisation. "Es ist ein echter Durchbruch, denn sie kennt jetzt ihre Rechte und weiß, wie sie dafür eintritt. Was sonst sollte ich mir wünschen?"
Autorin: Leonie March
Redaktion: Christine Harjes