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Die Deutschen und der Eurovision Song Contest

15. März 2010

Die Deutschen lieben den Eurovision Song Contest. 1982 haben sie mal gewonnen. Als die junge Nicole im Rüschenkleid von Frieden sang. Seitdem geht es bergab. Das soll sich nun mit Lena ändern.

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Eurovision Song Contest (Foto: EBU)
Eurovision Song ContestBild: EBU

Was haben die Deutschen nicht alles versucht um ihn zu gewinnen? Guildo Horn sang, er habe uns alle lieb, die "No Angels", Mutter aller deutschen Casting Bands, wurden geschickt, eine blinde Frau schwor, dass sie ohne Musik sterben werde und Joy Flemming, eine Ikone der Schwulenszene, probierte es gleich zweimal. Nichts hat geholfen: Deutschland? Null Punkte! Germany? Zero Points!

TV-Moderator Stefan Raab (Foto:dpa)
Stefan Raab sucht den "Star für Oslo"Bild: picture-alliance/dpa

Doch das soll sich jetzt ändern mit Hilfe des Privatfernsehen-Starmoderators Stefan Raab. "Ich glaube man darf als deutscher Teilnehmer nicht davon ausgehen, dass man den ersten Platz belegen kann", sagt der allerdings um nicht zu viele Hoffnungen aufkommen zu lassen. "Wir wissen alle", fügt er an, "Deutschland zählt im Ranking der beliebtesten Länder nicht zu den Topnationen. In einer Umfrage ist nur noch Frankreich unbeliebter als Deutschland."

Ein Veteran schöpft aus Erfahrung

Stefan Raab muss es wissen. Dreimal ist er selbst beim Eurovision Song Contest angetreten. Einmal als Sänger, zweimal als Komponist. Immer kam er unter die zehn Besten. Er hat nicht das erlebt, was die anderen bisherigen deutschen Teilnehmer am Sangeswettbewerb mitgemacht haben. Wer beim Eurovision Song Contest scheitert, kann nämlich seine deutsche Karrieren meist gleich mit beerdigen. Kaum einer will inzwischen noch für Deutschland antreten. Berühmte deutsche Bands winken ab, und die, die dann doch antreten, will keiner sehen. Höchste Zeit also für radikale Wege - aus Sicht der Deutschen.

Kandidatin Lena wird für Oslo singen (Foto: dpa)
Lena singt für DeutschlandBild: EBU

Traditionell wird der Vorentscheid von den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern organisiert, allen voran der NDR. Damit sich jetzt endlich was tut, ging man den Pakt mit dem Privatsender Pro 7 und Moderator Stefan Raab ein. Manche Kritiker sehen das als Kapitulation. Man schließe den Pakt mit dem Teufel. "Das ist dummes Zeug", verteidigte der ARD-Programmdirektor Volker Herres die Entscheidung mit einem Privatsender zusammenzuarbeiten, "die ARD kapituliert nicht, sondern wir machen eine Kooperation, die für beide Seiten sehr sinnvoll ist."

Die Basis soll entscheiden

Stefan Raab nimmt es mit einem Augenzwinkern, bezeichnet diese Entscheidung als "eine nationale Aufgabe von historischer Tragweite." Das sei am ehesten vergleichbar mit dem Fall des Eisernen Vorhangs.“ Genau gegen den ehemaligen "Eisernen Vorhang" wollen die Deutschen gewinnen. Gegen Länder wie die Ukraine, Russland oder Balkanstaaten, die sich bei der Punktevergabe gegenseitig mit Lob überhäufen. Raab setzt auf Qualität gewählt von den Deutschen selbst.

Ausschnitt aus der TV-Castingshow "Unser Star für Oslo (Foto: dpa)
Die Zuschauer haben entschiedenBild: picture-alliance/dpa

In einer Fernsehcastingshow suchte er unverbrauchte neue Gesichter und Stimmen und liess die Zuschauer in zehn Shows bestimmen, wer in diesem Jahr für Deutschland am Eurovision Song Contest teilnehmen soll. Sogar das Lied wurde im Finale des Vorentscheides basisdemokratisch abgestimmt. Die Deutschen sollen wieder Spaß am Wettbewerb haben – und neben hohen Einschaltquoten soll auch mal wieder eine vernünftige Platzierung bei rumkommen. "Ich will, dass die Leute sich versammeln, die Veranstaltung verfolgen und am Ende sagen können: es war eine super Veranstaltung!", hofft Raab.

Der Feind auf meinem Sender

Trotzdem ist der ARD die Zusammenarbeit mit Stefan Raab nicht ganz geheuer. Klar will man, dass Deutschland in Oslo wieder einen der ersten Plätze belegt. Klar ist aber auch, dass die ARD dann zugeben muss, dass ihre eigenen Vorentscheide der letzten Jahre, die sie ohne Raab gestemmt hat, konzeptionell gescheitert sind. 2009 wurde das Volk noch nicht mal gefragt, wer nach Moskau fährt. Eine Jury entschied; das Ergebnis: 20. Platz. Auf Risiko spielen die Öffentlich-Rechtlichen nicht gerade.

Bandfoto der NO ANGELS (Foto: eurovision)
Die NO ANGELS haben es 2009 verpatztBild: eurovision.tv

Während der Sender Pro7 alles an Stars in die Vorentscheidungsshows warf was er hatte, schickte die ARD die erfolgreiche Radiomoderatorin Sabine Heinrich ins Moderationsrennen, die im Fernsehen kaum einer kennt. Sollte das System Raab scheitern, dann will man bloß nicht noch eine Moderationsgröße verbrennen. Offiziell klingt das natürlich anders. "Wir wollen gerade bei solchen Formaten noch neue Gesichter in der ARD ausprobieren", verteidigt Herres die Entscheidung, "Sabine Heinrich ist eine erstklassige Moderatorin und im Radio ausgesprochen erfolgreich. Ich halte es für richtig, dass sie es macht."

Autor: Uli José Anders

Redakteur: Matthias Klaus/Marlis Schaum