Einigung in Kambodscha
23. Juli 2014Am Dienstag (22.07.2014) einigten sich der Führer der Oppositionspartei "Cambodia National Rescue Party" (CNRP) Sam Rainsy (links) und Premierminister Hun Sen (rechts) auf die Aufnahme der gemeinsamen Arbeit im Parlament. Im Gegenzug dazu versprach die Regierung Reformen des Wahlgesetzes und die Freilassung mehrerer Mitglieder der CNRP, die vergangene Woche verhaftet worden waren.
Der politische Stillstand war durch die Parlamentswahlen vom Juli 2013 ausgelöst worden. Internationale Beobachter hatten von erheblichen Unregelmäßigkeiten berichtet, die die herrschende kambodschanische Volkspartei (CPP) bevorzugten. Oppositionsführer Rainsy erklärte daraufhin, dass seine Partei die Wahlergebnisse unmöglich akzeptieren könne und forderte eine unabhängige Untersuchungskommission. Diese wurde aber nie eingesetzt. Daraufhin boykottierte die Oppositionspartei die Eröffnung des Parlaments im September 2013. 55 der insgesamt 133 Sitze blieben leer. Eine normale Regierungsarbeit war so kaum möglich.
Seit der Wahl hat die CNRP außerdem immer wieder zu Protesten aufgerufen. Erst vergangene Woche waren bei Protesten acht Parteimitglieder wegen Aufwiegelei verhaftet worden. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu 30 Jahre Haft. Analysten sind der Ansicht, dass Rainsy vor allem aufgrund dieser Gefahr für seine Anhänger aus Paris an den Verhandlungstisch in Kambodscha zurückgekehrt ist.
Druck von allen Seiten
Ou Virak, Politikwissenschaftler und Präsident des kambodschanischen Zentrums für Menschenrechte, erklärt, dass "beide Seiten unter erheblichem Druck standen." Die Regierung wurde von Investoren zur Zusammenarbeit gedrängt. Die Oppositionspolitiker wollten ins Parlament, um endlich ein Gehalt zu beziehen. Von einer Untersuchung der Wahlergebnisse, die am Anfang des Konflikts stand, sei keine Rede mehr.
Der Boykott der CNRP sei damit in gewisser Weise erfolgreich gewesen, so Virak. "Sie haben die Regierungspartei in die Ecke gedrängt, und zwar so lange, bis die Investoren im Namen der Stabilität schließlich auf einer Lösung bestanden."
Der Teufel steckt im Detail
Obwohl die Politiker ihre Einigung feiern, ist Virak skeptisch. "Es handelt sich nur um eine kurzfristige Lösung. Die unklare Formulierung des Abkommens wird wie ein Bumerang auf die Opposition zurückkommen. Keine der beiden Parteien hat eine klare Vorstellung davon, wie die Reformen im Detail aussehen sollen."
Einer der wenigen Punkte, die einigermaßen klar sind, ist, dass die nationale Wahlkommission reformiert werden soll. Die CNRP hatte mehrfach den Vorwurf erhoben, dass die Kommission von der Regierung kontrolliert wird. Das neue Komitee soll aus neun Mitgliedern bestehen. Vier werden dabei jeweils von einer der großen Parteien gestellt, eine unabhängige Person soll gemeinsam nominiert werden.
Aber auch diese Einigung lasse entscheidende Probleme beim Wahlprozess außer Acht, so Virak. "Wer sich die Kritik an den Wahlen von 2013 genauer ansieht, muss feststellen, dass viele Vorwürfe mit den sogenannten 'Identifikations-Zertifikaten für die Wahl' zusammenhängen. Diese regelten, welche Bürger überhaupt an der Wahl teilnehmen durften." Damals hätte die Wahlkommission so viele Zertifikate ausgestellt, dass niemand mehr wüsste, was mit ihnen passiert sei. Das und der insgesamt umstrittene Prozess zur Registrierung von Wählern seien in dem neuen Abkommen nicht berücksichtigt, so Virak.
Politische Zukunft weiter offen
In dem Abkommen ist auch die Rede davon, dass einige staatliche Institutionen gestärkt werden sollen, insbesondere was ihre Unabhängigkeit betrifft. Sie sollen so zum Wohl der Nation und zu einer pluralistischen Demokratie beitragen. Um welche Institutionen es sich dabei genau handeln soll, bleibt offen. Virak ist überzeugt dass dieser Punkt des Abkommens deswegen letztlich bedeutungslos ist.
Ein endgültiges Datum für Neuwahlen gibt es noch nicht, aber Gerüchte machen die Runde, dass es im Februar 2018 so weit sein könnte. Viele erwarten, dass der amtierende Premierminister Hun Sen erneut kandidieren wird. Er dominiert die kambodschanische Politik seit mehr als 30 Jahren. Zu seinen Verdiensten zählt, dass er Kambodscha zu einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregion Südostasiens gemacht hat. Zugleich werden ihm regelmäßig Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung von Kritikern und Gegnern vorgeworfen.
Bei den Wahlen 2013 musste Hun Sen den bisher größten Verlust an Wählerstimmen hinnehmen. Virak sieht darin ein Zeichen, dass sich Kambodscha allmählich ändert und dass Hun Sen akzeptiert hat, "dass er das Land nicht mit eiserner Faust regieren kann." Die Jugend sei einfach frustriert und bereit, ihren Protest auf die Straße zu tragen. Ob das für einen Regierungswechsel reiche, sei noch nicht entschieden.