"Einen gewissen Preisschub kann man nicht in Abrede stellen"
10. Juni 2004DW-WORLD: Schürt der gestiegene Ölpreis die Gefahr der Inflation in den Industrieländern?
Uwe Dürkop: Einen gewissen Preisschub kann man nicht in Abrede stellen. Das hat man ja auch an den jüngsten Monatsdaten gesehen. Aber von einer nachhaltigen Wiederbelebung der Inflation sind wir noch eine ganze Ecke entfernt. Dagegen spricht eben auch, dass es noch keine Anzeichen für so genannte Zweitrunden-Effekte gibt, sprich: dass sich der Preisanstieg dann auch in einem höheren Lohnwachstum, et cetera niederschlagen würde und sich so ein höheres Inflationsniveau verselbständigen würde. Wir gehen eher davon aus, dass man jetzt vorübergehend höhere Inflationsraten sehen wird, dass das aber bei Normalisierung des Ölpreises keine nachhaltigen Verschiebungen im Inflationsszenario zur Folge hat.
Und wenn der Ölpreis auf dem jetzigen hohen Niveau bleibt?
Dann hätte man keine dämpfenden Effekte in der Zukunft. Wir haben im Moment ja auch einen deutlichen Anstieg in den Inflationsjahresraten, weil die recht hohen laufenden Monatsraten mit dem starken Rückgang der Ölpreise aus dem Vorjahr korrespondieren und deswegen die Jahresraten auch stark angestiegen sind. Würde der Ölpreis zurückgehen, hätte man die natürlich erfreuliche Entwicklung jetzt genau in einem Jahr wieder. Bleibt der Ölpreis so wie er ist, dann würde das ausfallen, aber eben nicht zu einem nachhaltigen Anstieg der Inflationsraten führen, sondern zu einer Normalisierung im Vorjahresvergleich.
Was könnte die Inflation antreiben?
Bei den niedrigen Kapazitätsauslastungen (der Unternehmen, die Red.), die wir trotz sich belebender Nachfrage haben, sehe ich nicht so starke Gefahren. Gefahren würde ich dann sehen, wenn in den Lohnverhandlungen sich die Unvernunft durchsetzen würde und nach einem Teuerungsausgleich für diesen Sondereffekt gestrebt wird. Dafür sehe ich aber im Moment wenig Anzeichen und ich sehe das deshalb nicht als wirklich virulent Gefahr.
Wie sind Ihre Zinserwartungen für die USA vor diesem Hintergrund, dass Sie eine ernsthafte Inflationsgefahr ausschließen?
Wir teilen die Einschätzung, dass es zu einer Anpassung bei den Geldmarktsätzen in den USA kommen wird, einfach weil die Konjunktur dort stark angesprungen ist und dieser starke monetäre Impuls (niedriger Zinsen, die Red.), den wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, jetzt nicht mehr erforderlich ist. Das würde ich aber eher unter dem Gesichtspunkt der Normalisierung der Zinspolitik einstufen und nicht als Reaktion auf wieder auflebende Inflationsgefahren. Die Zinsen sind auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau und da ist eine Normalisierung erforderlich und die wird in den nächsten Monaten auch kommen.
In Europa fordern einige Experten niedrigere Zinsen, um der Konjunktur einen Impuls zu geben. Die Europäische Zentralbank (EZB) sagt, sie wolle für stabile Preise sorgen und macht nicht den Anschein, die Zinsen senken zu wollen. Was erwarten Sie in den nächsten Monaten von der Zinspolitik der EZB?
Für einen Zinssenkungsschritt würde im Moment das Verständnis an den Märkten fehlen - auch wenn sich Forderungen in diese Richtung immer noch halten, insbesondere in Ländern wie Italien und auch Deutschland, wo sich die Konjunktur noch nicht so stark belebt hat. Ich denke wir haben wenig Anlass, jetzt noch mit einem Zinsschritt in diesem konjunkturellen Umfeld zu reagieren. Die Indikatoren zeigen doch alle eher auf eine wirtschaftliche Belebung - auch in Italien und Deutschland. Und von daher - grade bei den etwas höheren Inflationsraten in der letzten Zeit - würde dafür das Verständnis fehlen, jetzt noch mal mit einem weiteren Zinssenkungsschritt zu reagieren. Ich denke, die EZB wird zuerst abwarten und dann wahrscheinlich zur Jahreswende mit einem Zinserhöhungsschritt reagieren, weil sie dann auf die verbesserte konjunkturelle Situation in der Eurozone reagieren muss.
Welche Inflationserwartungen haben Sie bei der Bankgesellschaft Berlin für dieses Jahr?
Für die Eurozone rechnen wir im Jahresdurchschnitt mit einer Rate von 2,2 Prozent und für Deutschland mit einer Jahresrate von 1,6.