Zucker könnte Glyphosat ablösen
7. März 2019Die Glyphosat-Debatte könnte in absehbarer Zeit zu Ende sein. Forscher der Universität Tübingen haben einen Stoff entdeckt, der die gleiche Wirkung wie der umstrittene Unkrautvernichter hat, aber natürlichen Ursprungs ist. Bei dem Stoff handelt es sich um ein Zuckermolekül, das von einer bestimmten Art von Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, abgegeben wird. Die Forschergruppe um Klaus Brilisauer, Stephanie Grond und Karl Forchhammer wollte sich eigentlich nur die Bakterien ansehen. Das Zuckermolekül entdeckten sie zufällig.
Das Süßwasser-Cyanobakterium Synechococcus elongatus ist ziemlich egoistisch. Es scheidet den Zucker 7-desoxy-Sedoheptulose (7dSh) aus, um damit konkurrierende Bakterienstämme in ihrer Entwicklung zu hemmen. Das macht es so gut, dass die Tübinger Forscher wissen wollten, was dahinter steckt. Klaus Brilisauer und seine Kollegen entdeckten, dass 7dSh den gleichen Stoffwechselprozess angreift, an dem auch Glyphosat ansetzt. "Es wirkt zwar auf ein anderes Enzym, aber es ist der gleiche Stoffwechselweg, der sogenannte Shikimat-Weg", erklärt Brilisauer im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Wirkung ist dadurch dieselbe: Pflanzen, die mit dem Zucker behandelt werden, stellen das Wachstum ein.
Mittels des Shikimat-Wegs stellen Pflanzen und Mikroorganismen für sie wichtige Aminosäuren her. Weil diese Art des Stoffwechsel bei höheren Lebensformen wie Mensch und Tier aber nicht existiert, ist der Zucker für sie ungefährlich. "Wir haben Embryonen von Zebrafischen mit einer sehr hohen Dosis behandelt, ohne negative Auswirkungen", sagt Brilisauer.
Der neue Stoff kann aber noch nicht eingesetzt werden, denn außerhalb des Labors wurde er noch nicht getestet. Auch eine Zulassung als Herbizid steht noch aus. "Wir sind bereits in Gesprächen mit Kooperationspartnern", sagt Brilisauer. Diese sollen den neuen Stoff dann auf Versuchsfeldern testen. Erst im Anschluss würde der Antrag zur Zulassung als Herbizid erfolgen. Allein dieser Prozess kann 18 Monate und länger dauern. Brilisauer gibt sich optimistisch. "Wir erwarten eine gute Abbaubarkeit und eine geringe Ökotoxizität", sagt er. Genau das könnte dem Stoff aber in der Praxis noch zum Verhängnis werden. Denn wird der Stoff auf dem Feld zu schnell abgebaut, kann er seine unkrauthemmende Wirkung nicht entfalten.
Sorgen, dass Glyphosat-Hersteller Bayer etwas dagegen hat, wenn nun eine natürliche Alternative auf den Markt kommen könnte, hat Brilisauer nicht. "Glyphosat wird auf lange Sicht ohnehin vom Markt verschwinden", sagt er. Bayer könne gerne in die Entwicklung des neuen Stoffs einsteigen. Die Uni Tübingen hat den Stoff bereits zum Patent angemeldet.